Will doch nur spiel’n

Ein Lieblingsthema, aufgegriffen von der Kaltmamsell: Frauen statt Mädchen mit Link auf den Artikel Schluss mit süß - »Heute bin ich 32 und glaube nicht mehr, das man irgendwann erwachsen ist.«

Vielleicht sollte man ‘erwachsen’ mal nachdefinieren. Wer meint, dass er nicht erwachsen werden will, weil er nicht in der gefühlten Spießigkeit seiner Ahnen versinkt, nicht aufs Eigenheimchen spart und in keinen Kegelclub eintreten würde, hat es wohl nicht wirklich verstanden. Wer denkt, niedliche Hilflosigkeit und flatternde Herzchen mit Zöpfchen und Röckchen würden verhindern, dass man

welkt

älter wird, irrt auch. Gewaltig sogar.

Für mich ist jemand erwachsen, der die Veranwortung für seine eigenen Entscheidungen übernimmt und das auch kann. Ob die dann alle vernünftig sind, ist ja nicht die Frage. Wer sich beim großen Date mit dem Leben anmutig das Knöchelchen ‘verknackst’, damit heldenhafter Support gewährleistet wird, muss nicht befürchten, erwachsen zu werden. Darf aber auch nicht annehmen, für standfest gehalten zu werden, und muss davon ausgehen, oft auch nur Ballast zu sein. Deko meinetwegen. Aber gerade die Frauen, die mit solchen Pipimädchentricks arbeiten, sind ja oft in gewisser Beziehung besonders ehrgeizig: Sie erwarten sich, dass das Leben sie für besonders hält.

Beim vorgeschobenen verknacksten Knöchel fällt mir die Geschichte mit Margot ein. Getroffen habe ich die Frau nur ein einziges Mal. Auf den ersten Blick eine sehr hübsche Frau. Margot war aber ein zeternder Besen, eines dieser mauligen und bitter vor sich hinmelancholisierenden Wesen, für die es nie einen guten Tisch im Café gibt, immer zu viel oder zu wenig Schatten und denen weder das Wetter noch die Mitmenschen es je recht machen können, weswegen sie am liebsten über sich und ihr Leben sprach. Natürlich in einem analysierenden Tonfall, denn da gab es einiges aufzuarbeiten, was sie sich vorher anders vorgestellt hatte. Wenn das Geplärre nicht zu hören war, sah Margot zwar aus wie einer nostalgischen Postkarte entstiegen in ihrem blauweiß getupften Kleid mit der brünetten Lockenmähne, den hochgeklebten Brüsten und dem kirschroten Schmollmund. Aber oft war das nicht.

Wir waren in Hamburg mit einer Gruppe von etwa 10 Leuten locker verabredet und hatten uns zum Frühstück getroffen, um den Tag zusammen zu verbringen, bevor die meisten wieder abreisten. So kam auch die Mischung mitgebrachter Bekannter zusammen, die sich nicht alle kannten und sich erst mal miteinander zurechtfinden mussten. Die liebe Margot brauchte sicher ein halbes Stündchen, bis sie mit dem Sitzplatz, der Geräuschkulisse und den Lichtverhältnissen einverstanden war, bzw. sie musste sich dann irgendwann damit abfinden, dass wir wegen ihr und ihrem Getue nicht schon wieder ein Restaurant weiter zogen. Da sass sie und zog eine Dauerfresse, eins ihrer größten Talente.

Wir kümmerten uns nicht weiter um sie. Ich fragte einen Freund, was denn sein Studium machen würde, er antwortetet und noch jemand stellte eine weitere Frage und irgendwann zu diesem Zeitpunkt muss Margot begriffen haben, dass dieser A., den sie vorher nicht mal ignoriert hatte, gerade auf dem Weg war, ein Arzt zu werden. Ein ARZT und Single. Wie interessant!

Wir durften ohne jeden Übergang eine erstaunliche Metamorphose miterleben, eine Margot, die sich in eine charmante, kichernde, leicht flirtende und unglaublich niedliche junge Frau verwandelte und ihr anmutiges Wesen dann auch für den Rest der gemeinsam verbrachten Zeit beibehielt. Statt wie ihre eigene Oma alle der Reihe nach überheblich anzuglotzen, legte sie das Köpfchen schief und konzentrierte sich nur noch auf A., warf die Locken hin und her ... mir kam es nicht nur so vor, als wären an dem Kleidchen bald unten und oben je zwei Knöpfe mehr offen, das war so - und es wurden noch mehr.

Sie brachte den abgelatschten “huch, ich glaube ich bin umgeknickt”-Trick, um sich bei A. einhakeln zu können. Sie fror in der brüllenden Hitze und erbat sich seinen Pullover und wollte getröstet und betüttelt werden - zu warm, zu kalt, durstig, umgeknickt, schau her wie süß ich bin in fliegendem Wechsel. Inbrünstige Fellatio am Softeis mit dem wiederholten Spruch, dass sie ja eigentlich auf ihr Gewicht achten müsse (sie wog geschätzte 18 kg und hatte sehr knochige Schultern und Schlüsselbeine). Zusammengefasst: Sie tat eigentlich alles, wovon bereits kleine Mädchen lernen sollten, dass eine Frau mit einem halbwegs funktionierden Hirn und einem Rest von Würde es unterlässt.

Funktioniert hätte es natürlich. Männer kämen von selbst wahrscheinlich eher selten auf den Gedanken, dass was anderes als ihre kostbaren inneren Werte für Frauen interessant sein könnte. A. war also sichtlich erfreut über so viel Weibchen und Aufmerksamkeit. Zumindest bis ich ihn fragte, ob ihm nicht aufgefallen war, dass das Gegurre ab der Sekunde einsetzte, als sie von seiner geplanten Praxis erfuhr.  Nachher hatte ich zuerst ein schlechtes Gewissen, weil ich mich eingemischt hatte, auch wenn nur mit einem einzigen Satz.
A. hat sich nach einiger Zeit dafür bei mir bedankt.

Um Margot mache ich mir keine Sorgen. Die ist so

zielstrebig niedlich, die wird schon ihren Doktor gemacht

erlegt haben.

13 Kommentare Will doch nur spiel’n

  1. Avatar Marc 18.06.2005 um 16:08 Uhr

    “Wer bis 30 keinen Doktor hat, muss ihn selber machen.” Klinik-Schnack 😉

    So ambivalente Frauen wirken auf uns schon faszinierend - aber ab paarunddreissig auch nicht mehr. Mann hat zuviele getroffen und von zu vielen gehört. Von den launigen und von den anhänglichen. Und so ganz blöde sind wir dann auch nicht mehr. Wobei wir uns aber auch nicht zu schade sind in den Ausschnitt zu schielen. 😉

    Und noch ein Zitat:

    “Geduld ist bei jenen Frauen angesagt, die man wegen ihrer herrlich komplizierten Psyche liebt, doch nie bei jenen, die glauben durch Launen über ihr ödes Innenleben hinwegtäuschen zu können.”

    aus

    “Bei der nächsten Frau wird alles anders” von Astrid-C. Richtsfeld

  2. Avatar Melody 18.06.2005 um 16:28 Uhr

    Ab über 30 nicht mehr: Weil die Männer dann Lebenserfahrung haben und ihre Fehler nicht immer wiederholen, oder weil die Fehler nicht mehr jung genug sind, um mit Knackigkeit und Verbiegsamkeit über ihre Zicken hinwegzutrösten?

  3. Avatar Marc 18.06.2005 um 18:46 Uhr

    Es laufen einfach zu viele hübsche Frauen rum. Denn dann gilt - noch’n Spruch: “Früher als man jung war, gab es ein, zwei hübsche Mädchen, inzwischen sind sie alle hübsch.”

    Der Spruch hörte ich vor mindestens 10 Jahren im “Großen Bellheim”. Irgendwann jetzt stellte ich fest, das da was dran ist. Denn plötzlich erscheinem mir junge Frauen attraktiv, die ich vor 10 Jahren nicht so bezeichnet hätte.

    Und nein, ich weiß wo meine Grenzen sind. 😊

  4. Avatar Melody 18.06.2005 um 23:17 Uhr

     

    Ergänzend zum Thema »Psychosegirlies 30+« hätte ich noch das Nesthäkchensyndrom. Menschen, die alt genug sind, um ein Kraftfahrzeug zu bewegen, ihre Reifeprüfung abgelegt haben und in allen Ländern der Erde Alkohol trinken und heiraten dürfen, positionieren sich trotzdem bevorzugt mit der Feststellung, dass sie das ‘Küken’ unter den Anwesenden sind, weisen in jedem dritten Satz auf ihr Alter hin (»ich bin ja noch jung, wie man sich normal benimmt, kann ich später immer noch lernen, jetzt will ich mich amüsieren«) und scheinen tatsächlich zu finden, dass ihre Jugend an sich besonders interessant für andere ist. Nicht aus Gründen oder so, sondern einfach, weil andere einen zeitlichen Vorsprung haben. *nerv*

    Sich selbst als Nesthäkchen, Küken, den Jüngsten oder die Jüngste der Anwesenden zu bezeichnen, ja darauf auch noch großen Wert zu legen das zu tun, das ist mir so unbegreiflich, so albern, auf eine so nutzlose Weise kokett. Denn natürlich darf man sie weder selbst darauf hinweisen noch davon ausgehen, dass so viel demonstrierte Jugendlichkeit auch auf Unerfahrenheit und mangelnde Lebenserfahrung schließen lässt -  dann ist die Hölle los.

     

  5. Avatar VolkerK 20.06.2005 um 09:05 Uhr

    @Marc: Ich weiss auch nicht, was sich am Schönheitsideal in den letzten 20 Jahren bei mir geändert hat, aber Dein Bellheim-Zitat trifft den Punkt. So wit Thomas Tuma in “Tödlicher Chat”, als sein Mittdreißiger-Protagonist in einer Disco abhängt: “Auch andere Töchter haben schöne Mütter”.

    Vielleicht ist es das weniger Aufdringliche - vorgestern war ich im Baumarkt und hab nach einem bestimmten Bohrer gesucht.  Vor mit stand am Regal ein Päärchen, beide 19 oder 20, sie kürzerer Jeansrock. Arschgeweih. Dann fällt ihr was scheppernd runter, sie bückt sich, der Hüftrock rutscht über den Hintern und sie demonstriert allen Anwesenden, welches Kleidungsstück sie nicht trägt.

    Klar, wie Marc sagT: Mann guckt hin. Aber Mann muss es nicht selber haben, wenn Mann fast 40 ist.

    Gibt es sowas auch bei Frauen?

    Vielleicht ist das auch der Grund, warum Ende 20, Anfang 30 so viele Beziehungen und Ehen auseinandergehen: Weil wir uns in diesem Zeitraum weiterentwickeln, und das nicht undbedingt aufeinander zu.

  6. Avatar Melody 20.06.2005 um 20:19 Uhr

    Niemand hat was dagegen gesagt, dass so junge Frauen niedlich sind und sich so benehmen ... wenn ich mich recht erinnere, ging es um Damen, die ab Mitte 30 immer noch den Daumen ins Mäulchen schieben bei Konfrontationen und Anforderungen 😊 den Artikel hab ich eh nur überflogen, was interessiert es mich, was irgendein Mann für Erwartungen an Frauen stellt.

  7. Avatar Pia 21.06.2005 um 08:50 Uhr

    “...  was interessiert es mich, was irgendein Mann für Erwartungen an Frauen stellt.”

    Ja, so hät man es auch in einem Satz sagen können 😉

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