Die Sache mit der Sippenhaft

Vor jeder Ausnahme steht eine Regel. Jeden Menschen als Standalone-Version betrachten, wahrnehmen und annehmen ist eine. Man kann schließlich nicht jeden entsorgen, der einen mag, den man selbst nicht mag. Das wäre so anstrengend wie unfair. So unangemessen wie dumm.

Im Laufe eines halben Jahrhunderts lernt man also das unbeteiligte Schauen, das neutrale Nicken. Nach und nach auch immer mehr echte Toleranz, wenn jemand jemanden mag, den man nicht mag. Oder so sollte es vermutlich sein, oder so erlebe ich es. Das „man“ im Blog ist ja immer eins von persönlichen Erfahrungen und Einstellungen durchzogenes, es bleibt nicht aus und sollte das auch nicht.

So könnte man gut leben, gäbe es nicht immer auch Extreme. Dem amerikanischen Trumpeter verdanke ich es, die selbstgefällige Schmierigkeit eines toxischen Charismas heute gar nicht detailliert erläutern zu müssen: Es gibt nun mal Menschen, die sind wirklich sehr schlimm und trotzdem finden andere sie gut, bei denen man das nie erwartet hätte.

Egal wie sorgfältig man sich Sippenhaft abtrainiert, manchmal geht es einfach trotzdem nicht anders. Dreimal in meinem Leben habe ich mir nette Menschen abgewöhnt, die in schlechte Gesellschaft geraten sind und es offensichtlich total genossen, sich mit schmuddeligen trumpetenden Persönlichkeiten zu umgeben.

Weil ich niemandem wirklich vertrauen kann, der oder die mit einem deutlich fragwürdigen Menschen eng befreundet ist. Aber man sowas natürlich weder diskutieren noch ändern kann, schließlich würde ich mir in meine Freundschaften auch nicht reinreden lassen. Also bleibt nur Rückzug.

Das ist auch okay gewesen, das würde ich jederzeit wieder so machen in diesen drei Fällen. Es war kein Verlust, sondern ein Gewinn - es war eine begründete Vorsichtsmaßnahme, die glückte. Ich habe mich (und meinen privaten kleinen Einzelfall) geschützt, und ich hatte Recht, weil es für mich gut/besser war so.

Toxische Charaktere haben mit Sippenhaft natürlich weder ein Problem noch ein Thema. Wieder so ein Ding, bei dem man sich fragt, wie man der Tochter die Welt erklären soll. 

Bei der Vorstellung, wie es gerade einem ganzen Land geht, in dem Millionen von Menschen feststellen müssen, dass nette vertraute Personen freiwillig und freudig johlend bis zum Halsansatz in den fragwürdigsten Ausscheidungen unserer Gesellschaft stehen, wird mir allerdings ganz kalt.

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