(2)Internette Menschen, bis über alle Ohren und ...

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Internette Menschen, bis über alle Ohren und Anschlüsse in eigene Projekte verkabelt und vernetzt. Hastige, eilige Grüße, virtuell dahingeworfen. “Schön dass dir meine Seite gefällt, hatte noch keine Zeit für deine. Habe soeben dies gemacht, das eingebaut, jenes getan. Das und das muss noch, dies und das wird noch. Baustellen, aber ich bin dran. Das wirst du dann online schon sehen. Bald bald. Ich muss eilen, man liest sich, die besten Wünsche!” Und fort, und weg, Mail beendet, nur auf sich konzentriert, ganz in sich gekehrt und doch hartnäckig Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit einfordernd.

Ein Schema, das sich wiederholt, wenn Leute das Netz für sich entdecken oder schon vor Jahren für sich entdeckt haben, denn aufhören tut’s nicht. Nur noch mit der eigenen Darstellung nach aussen beschäftigt, ist die Website das wichtigste Thema. Die eigene, versteht sich. Deren Wirkung. Deren Technik. Deren Wirkung, Wirkung, Wichtigkeit. Verschrobene Verhaltensweise. Exhibitionistische Einsiedlerkrebse. Nein, das trifft es nicht ganz. “Wie du sicherlich auf meiner Homepage gelesen hast ...” geht meist Hand in Hand mit “um dich zu lesen, hatte ich noch keine Zeit / habe ich nicht regelmässig Zeit”. Das wiederum finde ich lustig, denn diese halbe Entschuldigung geht ganz selbstverständlich davon aus, dass es auch anderen wichtig ist, bedingungslos und immer gelesen zu werden. Tut ihnen diesen Gefallen aber keineswegs.

Wahrscheinlich fällt mir das so stark auf, weil ich selbst nie wirklich fest davon ausgehe, dass jemand bei mir, in meinem virtuellen Zuhause, liest. Wenn es so ist und ich bekomme es mit, freue ich mich meistens. So sollte es wohl auch sein. Aber ein Gespräch auf der Grundlage “liest du mich - dann les ich dich - und wir haben ein Thema”, das ist wahrscheinlich einfach zu hoch für mich und mein blondes Köpfchen. Anders ausgedrückt: Ich mag keinen Druck und möchte selbst entscheiden, was ich gerne lese. Wenn ich etwas gerne lese und das aber nur alle zwei Wochen und nicht alle drei Stunden, dann muss das auch OK sein.

Nicht jeder, der eine Homepage fabriziert, kann nun mal erwarten, ununterbrochen virtuell getätschelt zu werden. Schlimm genug, dass einige es werden *g* Wir verpassen übrigens in genau diesem Moment Millionen von Menschen, die eben keine Webseite basteln können / wollen, aber höchstwahrscheinlich ebenso interessante und wichtige Dinge zu “sagen” hätten wie die verehrten Anwesenden. Wir nehmen jemanden als cool oder toll wahr, nur weil er/sie zufällig ein Händchen für Grafik hat. Vermuten hinter vorgetragenen Zitaten einen Literaten. Verwechseln verwirrtes Geschwafel mit Kunst. Fühlen uns ständig und immer angesprochen, auch wenn es logisch betrachtet nur eine verschwindend geringe Chance gibt, dass man selbst gemeint ist. Halten auf anderen Homepages häufig verlinkte Internetseiten automatisch ebenfalls für megamässig toll. Lassen jemanden spontan durchs Raster fallen, weil seine Fonts ungebändigt, seine Grafiken zu animiert sind. Aber hey, wenn man uns fragt - dann zählen die inneren Werte. Hmm.

P.S. Hatte ich das schon erwähnt? Es gibt ein Leben nach dem Web. Neben dem Web. Um das Web herum.

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