Vorgestern oder so wollte ich einen Eintrag ...


Vorgestern oder so wollte ich einen Eintrag aus einem alten Tagebuch fischen und hier einsetzen. Genommen habe ich dann einen aus dem Online-Diary, einen beliebigen Tag aus 2000, der dann auch noch prompt von EGM 😊 verlinkt wurde. Nachdem ich ihn mit einem aktuellen überschrieben hatte. Soviel zum Thema Chaos und Zeitverschiebung.

Was ich eigentlich vorgehabt hatte, war ein cooler Griff zu einem der handbeschriebenen Hefte von 1982 bis 1992 (dann hatte ich eine Schreibmaschine *g*) und ein Abtippen eines Beitrags aus einer völlig anderen Zeit meines Lebens. Ich erinnerte mich dunkel an die wachsende Verzweiflung während der Mathe-Stunden und fortlaufende Einträge von 8 Uhr früh bis 13 Uhr früh, in denen jede Minute sich endlos zog und ich mich in ein Paralleluniversum flüchtete. Dort in der anderen Welt sassen personengroße Gummibären, das A-Team und Henriette von Oranjen (eine längst entfleuchte holländische Adelige) mit an den Tischen und zwinkerten mir verständnisvoll zu, wenn ich abwesend auf mathematische Formeln starrte und mich fragte, wie groß der Penis des Referendars wohl sein mochte. Ich war mir sicher, dass ich unglaublich viel geschrieben hatte. Hatte ich auch. Deutlich mehr, als ich noch wusste.

Lange Vorrede, kurzer Sinn: Ich sehe keine Möglichkeit, meine alten Tagebücher unzensiert abzutippen, nicht mal auszugsweise. Zuerst griff ich mir wahllos ein Heft und schlug es frohen Mutes mitten drin auf. Landete auf dem Bericht, wie ich einer mir nicht mehr bekannten Kirsten mit Hilfe eines Haushaltshammers anschaulich demonstriert hatte, wie man einen Penis nun wirklich ergebnisreich anfasst - sie hatte das erste ihre begegnende Exemplar höflich mit zwei Fingerspitzen hin und her geschwenkt und war vom Ergebnis dementsprechend irritiert. Da habe ich noch gelacht. Um zu unverfänglicheren Ergebnissen zu gelangen, öffnete ich dann ein noch älteres Buch und fand eine vierzehnseitige Abhandlung, die mit heisser Liebe zu einem Stefan begann, über Interesse an Alex, Dieter und Reinhard führte und damit endete, dass ich nichts dafür konnte, von Wilfried und Volker nichts zu wollen, da ich jetzt mit Rolf ausgehen würde und mich dabei vermutlich wieder neu in Bernhard verknallen würde. Leider begründete ich meine Vorlieben und Abneigungen sehr detailliert. (“P. sieht ja toll aus, ist aber leider nur 1,85m groß”.) Nichts und niemand auf der Welt wird mich dazu bringen, zuzugeben, wie alt ich bei dem Eintrag war.

Wenn ich mich ohne Hilfe der alten Bücher zurückerinnerte, war ich halt an den Samstagsabenden (und Freitagen, Sonntagen und Mittwochen) hinausgestolpert in die Nachtwelt, hatte mich vorher hübsch gemacht und kam frühmorgens nach Hause. Ich hatte erstens vergessen, dass ich gute 5 Jahre lang ergebnislos mein (damals nicht hohes!) Gewicht senken wollte, mein Körper aber hartnäckig da blieb, wo er war. Von der Schilddrüsensache hatte ich ja nichts gewusst. Zweitens fehlte mir einerseits das ausgeglichene Körpergefühl von heute - ich stakste auf meinen Endlosbeinen wie ein verwirrtes Fohlen durch die Landschaft. Andererseits ging ich zu dem mir vorher nicht persönlich bekannten Mann, für den ich schwärmte, verwirrte ihn gezielt und küsste ihn dann einfach leidenschaftlich drei Minuten lang - um anschliessend die Cinderella zu machen, kurz vor Mitternacht. Verwirrend. Auch für mich.

Von dem Kuss selbst und auch von seinem Gesicht oder ihm ist nichts geblieben ausser der Erinnerung, wie meine Fingernägel sich in sein Hemd gruben und dass ich auf Zehenspitzen stand. Ich erinnere mich noch an das Gefühl, zwischen großen Menschen zu sein. Viele Freundinnen zu haben, die alle über 1,80 m waren und in der Disco in einem Wald von Männerrücken unterzugehen. Von einem Riesen hochgenommen, über die Schulter geworfen und rausgetragen zu werden (während man ihm wütend ins Ohr biss, weil es ein Fremder war, wohlgemerkt). Die Arme um jemanden zu legen, zu dem man nur aufsehen konnte, wenn man den Kopf weit in den Nacken legte - es war nicht so schön. Fast gleich groß zu sein oder 5 cm kleiner ist sehr viel netter
😉

Aber damals ging es mir leider oft darum, wer denn groß genug war, dass ich verdammt hohe Absätze tragen konnte. Zu meinem Trost und meiner Verteidigung kann ich nur sagen, dass es wirklich seeeeehr lange her ist. Eine furchtbare Handschrift hatte ich. Schrieb meistens in grün. Seufz. Nein. Den Plan, die alten Bücher nach und nach zu digitalisieren, werde ich aufgeben.

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