und 01.01.2001
Ein neues Jahr, ein weißes Blatt. Keine ernst gemeinten Vorsätze, nur ein paar Scherze über Dinge, die sowieso umgesetzt werden müssen, ob Vorsatz oder nicht. Für mich war es ein Jahr voll Anstrengung, Arbeit und körperlicher Schmerzen. Viele Ärzte, die mich falsch behandelt haben und sehr oft eine Wand am Ende der Einbahnstraße, in der dann doch eine Tür war. Vor fast genau 365 Tagen schleppte ich mich mit einem allergischen Fieberschock und geschwollenen (von einem undefinierbaren geheimnisvollen Insekt) komplett zerstochenen Beinen in das Krankenhaus zwei Strassen weiter. Was das für Stiche waren, wissen wir immer noch nicht. Aus tropischen Früchten? Ungeziefer aus den gekauften Klamotten, die vorher auf einer Modenshow von anderen Models vorgeführt worden waren? Ein gemeingefährlicher Katzenfloh? Erfahren werde ich es wohl nie. Wie tief der Schock sass, merkte ich erst im Sommer, als ich auf die erste Gartenparty eingeladen wurde und ablehnen musste, weil die Mückenstiche in meinen Beinen Monate zum Verheilen brauchten seit dem Unfall. Auch heute habe ich drei offene blutende Stellen am Bein, Katzenkratzer vom Spielen, die seit Wochen nicht abheilen. Inzwischen zucke ich nicht mehr bei jedem Insekt zusammen.
Genauso anstrengend war es, zu krank zum Laufen zu sein und von der Teamsekretärin ständig angezickt zu werden, wie lange ich denn noch geruhen würde, mich auf einem gelben Zettel auszuruhen. Natürlich war sie - in diesem konkreten Fall - nicht annähernd entscheidungsfähig, aber die war auch fast der einzige Kontakt zum “Team” zu der Zeit, als es mir am schlechtesten ging: Das zerrte unglaublich an den sowieso schon strapazierten Nerven. Mein Chef war innerlich bereits auf dem Absprung, die Firma zu verlassen, das konnte ich spüren (war auch ein halbes Jahr später so) und ich wartete schon wieder mo-na-te-lang auf einen anderen/besseren Vertrag, der mir zugesagt worden war. Wozu war ich fast ein Jahrzehnt lang mit Grippe, Fieber und Knochenbrüchen aufmarschiert, wenn mir nun ein so ungutes Gefühl vermittelt wurde, obwohl ich lebensbedrohlich krank war? Ich war komplett und auch aus noch ganz anderen Gründen aus dem Job herausgewachsen.
Trotzdem war es natürlich ein Selbstmord-Stunt, in dieser Lage zu kündigen. Ich hätte, wie es so Mancher getan hätte, ein Jahr oder so allen mit einem Krankenschein auf der Tasche liegen und dann in Frührente gehen sollen *grins* Nun ja, nicht wirklich. In meinem Kopf war immer sowas von “schlimmer als nach dem Unfall in Südamerika und dem Deckeneinsturz in Kombination kann’s sowieso nicht mehr kommen”, aber natürlich konnte es doch. Es kann immer schlimmer kommen. That’s life.
Aber es geht dann doch immer weiter. Wenn ich anhalte und nachdenke, gibt es nicht eine einzige Erfahrung, die ich rückgängig machen würde. Nicht einen einzigen mir bekannten Menschen, mit dem ich auch nur Teile seines Lebens tauschen würde. Und DAS ist ne Menge und ne Menge wert. Dieses Jahr war sehr schwierig. Aber es war auch schön. Oliver und ich sind uns noch näher gekommen, was ohne eine Krise von aussen gar nicht möglich gewesen wäre, denn wir waren uns von Sekunde 1 an unglaublich nah. Ich habe viel gelernt über das, was ich kann und bin jetzt mit deutlich mehr PS unterwegs auf der Datenautobahn. Einiges verdanke ich Zufällen 😉 zum Beispiel war mal an entscheidender Stelle ein Redakteur in Urlaub und die Urlaubsvertretung wusste nicht, dass ich nur die Anfängerin “fürs leichte Entertainment” war, reichte einen großen Brocken Technik rüber. Es klappte dann bestens und daraus hat sich unglaublich viel anderes entwickelt. Glück gehört eben genau so dazu wie Einsatz und Fortbildung.
Aber es gibt eben auch viel Stress. Das Web zerrt an mir, ich spüre täglich den Druck der zu beantwortenden Mails, der auf Nachricht wartenden Menschen, die ständig weiter anschwellende Erwartungshaltung. Es fällt mir oft schwer, nicht mitten in anderen Aktivitäten alles beiseite zu legen und erst mal Mails zu beantworten. Es fällt mir auch oft schwer, nicht super genervt zu sein, wenn ich spüre, wie auf der anderen Seite wer an mir “zieht”, virtuell, weil der andere Mensch nicht warten mag. Fast dasselbe gilt für das Online-Tagebuch. Ich habe keine konkreten Vorsätze für 2001. Aber ich habe schon vor ein paar Wochen für mich beschlossen, mich vom Internet nicht terrorisieren zu lassen und es locker und easy anzugehen. Mir geht es oft körperlich nicht gut, ich habe als immer noch frischgebackene Selbständige (heute sind es 9 Monate *g*) irre viel zu tun und abgesehen davon möchte ich es mir immer noch selbst aussuchen, wie ich meine Zeit einteile. Wenn dann jemand auf Antwort warten muss, dann ist das eben so. Ich bin ganz sicher, die Menschen, die einen Kontakt wert sind, die verstehen das auch. Sowieso werden eine Menge Leute noch umdenken müssen, was die schnell zu verursachende Hysterie und Unmittelbarkeit der virtuellen Kommunikation angeht. Es trennt die Spreu vom Weizen, ob Leute denken, die Welt habe auf Knopfklick bereit zu stehen - oder nicht 😉
Mit ein paar fiesen Leuten hatte ich zu tun, worauf ich gut hätte verzichten können. Man lernt dazu, manches würde mir kein zweites Mal passieren und es gibt Menschen, die braucht man wie juckenden Ausschlag. Aber wichtiger ist: Mindestens achtmal so viele nette, interessante und wertvolle Menschen habe ich “getroffen”, nicht alle im Web oder nur online. Bestehende Freundschaften habe ich bewahrt, auch das schafft man in Krisen nicht immer, sondern nur, wenn es die richtigen Freunde sind. Ich bin härter geworden und mag das, jawohl - ich mag das. Ich bin stärker geworden und das geniesse ich sehr. Das Jahr war schwierig, dabei bleibe ich, und es sollte nun vorbei sein, endlich.
Aber es war auch ein sehr gutes Jahr. Irgendwie. Das muss ich mir nicht einreden, das ist so 😉 und aus dem nächsten werde ich wieder alles Optimale herausholen.
2001:
Ich wünsche Euch alles, was Ihr Euch wünscht und das niemandem schadet und Euch auch wirklich nutzt. Aber denkt daran, es ist auch nur ein Neues Jahr und es ist spätestens am 2. Januar nicht mehr von dramatischer Bedeutung, wie es begonnen hat 😉
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