Spätestens in 25 Min muss ich los, wenn ich rechtzeitig am Flughafen sein will. Mir ist allerdings nicht mal danach zumute, mich anzuziehen 😊 wenn das wieder so ein Tag wie gestern werden würde, wäre es mir gerade recht. Bis auf den Fieberschub am Nachmittag, versteht sich. Auf solcherlei Beiwerk könnte ich inzwischen gut mal eine Woche verzichten.
Um genau 4 Minuten vor 15.00 Uhr schnappte sich gestern die 93jährige Dame aus dem dritten Stock den Rasenmäher und legte los. Was denn, sie wird doch nicht aufmüpfig werden? Letztes Jahr hat sie immer sekundengenau das Ende der Mittagsruhe abgepasst 😊 Ich weiss noch, wie ich an einem heissen Tag um die Ecke kam und sie sass auf der Gartenbank, ganz rot im Gesicht, so dass ich mich richtig erschreckte und direkt mit einem Glas Wasser hingeflitzt bin. Sie wartete aber nur recht ungeduldig auf den Moment, wo sie anfangen konnte herumzurattern. Muss ich noch erwähnen, dass der Rasen recht kurz ist? 😉
Als das Geratter losging, hatte ich gerade eine Bekannte am Telefon und musste erklären, wieso ich jetzt erst einmal das Fenster (also das echte) schliessen musste. Sie sagte “Wow, das war bestimmt mal eine tolle Frau!” und ich sitze jetzt hier und grübele, wieso das für mich eine tolle Frau ist und für andere ist sie praktisch nur noch ein halber Mensch, weil sie über 90 ist. Die Dame ist freundlicher und geistig fitter und an kreativen Dingen interessierter als so jeder zweite Onliner, auf den ich treffe 😊 und ich würde mich weder wundern, wenn sie eine Homepage hätte noch wenn sie sich einen Geliebten halten würde. Aber “natürlich” sehen die meisten nur einen alten Menschen.
Nervtötend ist diese Gesellschaft, dieses laute Knallen von Schubladen. Zwar gönne ich mir auch bewusst eine solche Lade, mit Wonne und Vergnügen 😊 aber es gibt auch nichts Schlimmeres, als sich gezwungenermassen höflich mit einer dumpfen Haushaltsschnalle zu unterhalten, deren Horizont bis zum Supermarkt und zurück reicht. Gibt ja glücklicherweise nicht allzu viele. Oder? 😉)))) Und die ärgern sich so herrlich, wenn man sich nicht für den gleichen Dumpfkram interessiert. Anfangs habe ich noch die Grätsche gemacht und versucht, mich darauf einzustellen. Aber jetzt denke ich, warum stellen die sich nicht lieber auf mich ein? Und was soll ich sagen, es ist weniger höflich, aber wunderbar erholsam.
Gestern abend dann habe ich für eine ganz andere Bekannte eine Einladung im PC erstellt. Es geht um eine Kunstausstellung und ich hatte mich schon gefreut, denn ich habe die Bilder gesehen und wusste, keiner von den Zuständigen hat auch nur zweieinhalb Gramm Computerkenntnisse. Sie haben mich um den Entwurf der Einladung gebeten “weil Du doch so schöne Dinge machst und ein gutes Gefühl für Farben und Formen hast”. Also habe ich mich wirklich darauf gefreut und in Gedanken schon entworfen und verworfen und in Grün- und Blautönen geschwelgt Es handelt sich um eine Schülerin von Beuys, aber aussehen tun die Bilder mehr wie ... Klee mit vGogh? 😉) und in meinem Kopf wuchs langsam eine schöne zarte Aufteilung, die nicht von den abgebildeten Werken ablenken würde.
Pustekuchen. Mir wurden zwei Blätter Papier in die Hand gedrückt, auf die mit Bleistift unerbittlich zwingend bis in die letzte Ausrichtung des letzten Buchstabens (!) aufgemalt war, wie es auszusehen hätte. Zerschnittene und fest eingeklebte Bildaufnahmen an GENAU DER GEWÜNSCHTEN Stelle. Geknickte Bögen, sorgfältig hundertmal nachgemalter Text. Da hat sich jemand mindestens einen halben Tag damit beschäftigt, verbindliche Vorgaben zu machen. Es gab keinen Spielraum. Nicht mal eine Zeilenhöhe auf und ab. Und so grottenhässlich und nichtssagend.
Man nehme ein Blatt A4, knicke es in Drittel (was auch sonst… es ist ja bloss eine Kunstausstellung, da orientiert man sich schon mal am Speiseplan des nächsten Pizzalieferanten) und schreibe vorne EINLADUNG und hinten die Adresse drauf, pappe mitten rein ein Bild mit einer Unterschrift und einem haarsträubend albernen Zitat und male dann hundertmal bis ins Detail auf, wo genau welcher Buchstabe (!!) zu sitzen habe.
OK. Word angeschmissen, drei Spalten, eine Minute Texteingabe, eine Minute Korrekturlesen, Times New Roman, zentrieren, nachchecken, fertig. Und dieses leckt mich doch alle am A… Gefühl seitdem. Sorry, aber so ist es. Ich wollte etwas Schönes schaffen, um etwas Schönes zu zeigen.
Erstickt. Einfach so. Pah, dann eben nicht. So wie ich die Autoren bevorzuge, die leben und lesen und nicht nur analysieren, so bewundere ich auch mehr die Künstler, die in allem kreativ, aufgeschlossen und lebendig sind .. und nicht nur Seerosen in Öl bannen und das war’s. Grrrrr. Kann das überhaupt jemand nachvollziehen, warum ich mich aufrege, oder bin das bloss wieder ich? Seufz….
Kreisch! Noch 7 Minuten, um sich anzuziehen und das Tagebuch hochzuladen und zum Flughafen loszudüsen! Ich muss Prioritäten setzen… Diary first *g*
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