Hundertmal gehst du «zum Friseur» und 99mal ist alles einigermassen in Ordnung. Was kann schon schiefgehen, wenn ein Meter gerades glattes Haar um 15 cm gekürzt werden soll? Nicht viel. Als ich mir gestern beinahe das Genick gebrochen habe, weil ich mich versehentlich auf den eigenen Pferdeschwanz setzte, entschloss ich mich also spontan zum Besuch eines Haardienstleisters. Eines bestimmten, natürlich. Der schiefwandige, im 70er Look eingegilbte und immer überfüllte Friseurladen, in dem die besten Frisuren entstehen, und das für 65 % des Preises, den die anderen so nehmen. Der eine Laden halt, den man schon beim Hinziehen vor 15 Jahren als Geheimtipp empfohlen bekommen hat und in dem der Herrensalon durch eine Klapperwand von den Damen getrennt ist und in dem sich kontinuierlich sämtliche Kurzdauerwellen des Ortes aufhalten, die über 75 Jahre alt sind und nachonduliert werden möchten. Ein guter Friseur also, fast immer gute Erfahrungen gemacht.
Der Laden, an dessen Türe ein schiefes Schild hängt. Bei uns brauchen Sie keinen Termin. Als ich gestern zur Tür hineinkam, merkte ich gleich: Ich hätte doch wohl einen gebraucht. Völlig überfüllt und man kennt ja die hochqualifizierten und unglaublich gar nicht präzisen Aussagen der Damen, die sich den ganzen Tag mit fremden Haaren beschäftigen: Äh da hätten Sie aber und eigentlich nehmen wir heute nur Leute mit Anmeldung ja ist momentan so ne das weiss ich jetzt nicht und wenn Sie doch und blablabla. Also setzte ich mich kurz, verschaffte mir einen Überblick über anwesende Friseurinnen, anwesende Kundinnen und deren offensichtlichen Handlungsbedarf und ging dann wieder, nachdem ich ausgerechnet hatte, dass ich zwei Stunden mindestens hätte warten müssen. Für einen 5-Minuten-Job.
Heute morgen ganz früh dann mal eben angerufen, weil ja gestern alle einen Termin hatten und drankamen. Ausser mir. Ne Samstag nicht. Am Samstag gibt es keine Voranmeldung. Ja ob es denn voll sei. Ne also das wüsste sie jetzt nicht, im Moment nicht, aber vielleicht später doch? Ich sollte doch mal schauen. Was, ich müsste danach noch woandershin?? Na, dazu konnte sie rein gar nichts sagen, dann müsste ich halt wieder gehen, wenn es zu lange dauert. OK, ich bin also hingetrabt. Den Mantel aufgehängt, den schmalen Flur hinuntermarschiert zum «Damensalon» und wurde auf halbem Weg durch einen vor sich hinkehrenden Besen gestoppt.
«Was wollen Sie denn??» fragte eine müde Pagenkopfblondine mit sehr großen, sehr hellblauen und sehr ausdruckslosen Augen, von der ich mir toll vorstellen konnte, wie sie in einer 70er Jahre Schlaghose ausgesehen hatte - in den 70ern. Mal überlegen. Was würde ich wohl wollen, mitten an einem Werktag auf dem Weg von Tür zu Servicebereich in einem Damen-Frisiersalon. Einen neuen CD-Player vielleicht?
Ich erwiderte freundlich, dass ich gerne die Haare geschnitten hätte. Noch zwei Damen quetschten sich in den Flur und gafften. Die eine meinte zu mir, dass ich gestern sicherlich noch ein paar Stunden hätte warten müssen, wenn ich geblieben wäre ... die andere hatte freudig erkannt, dass ich es gewesen war, die angerufen hatte und musste das mitteilen. Der Schlafpuppen-Klon musterte inzwischen missbilligend meine Mähne und fragte abwehrend, ob die etwa auch gewaschen werden müssten vorher.
Nein. Mussten sie nicht und ich durfte also wahrhaftig durchgehen und mich auf einen von 12 freien Plätzen setzen. Nur die Spitzen schneiden, in meinem Fall also 15 bis 20 cm. Einfachste Übung für jemanden, der den ganzen Tag an fremden Köpfen rummacht. Sollte man meinen. Was aber hat diese ausgelutschte Schlafpuppe gemacht? Sie hat mich kahl geschnippelt. Das waren mindestens 35 cm, die sie abgeschnitten hat! Das Blöde an solchen völlig weggestumpften Frauen (und an Frisuren generell) ist, dass es wenig bringt, nun eine Strähne hochzuhalten und genau zu zeigen: Da! Bis DAHIN hätte gereicht! Aber trotzdem. Aaaaargh.
Na gut. Wenn ich ehrlich bin, hat sie mir einen Gefallen getan, denn es war schon längst mal Zeit, dass ich das unterste Drittel kappe und sauber nachwachsen lasse. Selber dazu durchgerungen hätte ich mich sicherlich nicht. Aber das ändert nichts daran, dass schlechte Dienstleistung mich immer wieder schwer verärgert. Sicher, man hat ihr schom beim Fegen des Flurs angesehen, dass sie vermutlich schon morgens beim Anziehen ein Handbuch samt Vorleser braucht, um die Reissverschlüsse in die richtige Richtung zu zerren. Aber wenn man bei der Arbeit im Stehen einschläft, schief schneidet und deshalb weiter kürzen muss, dann SAGT man das und tut nicht fade glotzend so, als hätte man den Kunden auch noch wunschgerecht bedient.
Etwas dazu zu sagen hätte jedoch nichts gebracht. Nicht bei so einer Frau, da ist der Zug schon lange abgefahren, die lernt nichts mehr dazu. Also raus aus dem Friseurgeschäft. 5 Meter laufen und die frisch regennassen Haare schütteln, von der Erinnerung an ihre unmutig tastenden Kunstnägel befreien. Froh sein, dass man selbst nicht an so einem Ort arbeiten muss. Froh sein, dass man nicht so ist und nie so sein wird. Auf den trubeligen Wochenmarkt gehen, die reichliche Auswahl fürs Auge geniessen. Ganz zarte Kartoffeln kaufen. So zart, dass sie fast schon beim Hinschauen schmelzen. Und schon ist alles wieder bestens und das Wochenende kann kommen.
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