Liebes Tagebuch

“Wir hängen Abend für Abend am See ab. Eigentlich tagsüber auch. Es ist diese Art von Sommerferien ... alles liegt in der Luft, alles kann passieren und nichts wird geschehen. Oder vielleicht doch. Wir bewegen uns in einer großen warmen Wolke aus Sommer und Sand und Gelächter. Wie viele solche Sommer wird es noch geben? Nicht mehr viele, denke ich. Wir werden erwachsen sein und wir werden das gar nicht mehr können.  Die Fähigkeit verlieren, im Rudel zu leben, ein großes entspannt-angespanntes erhitztes Knäuel zu sein.

Wenn einer von uns fehlt, gerät die Gruppe in Unruhe. Als ob jemand das Wasser umrührt und es erst langsam wieder zur Ruhe kommt – am besten erst dann, wenn der Nachzügler eintrudelt und uns komplettiert. Wir tun zwar gar nichts, außer rumhängen eben, aber es fühlt sich so an, als sollten immer alle dabei sein. Jeder von uns ist irgendwie in eine Rolle geglitten und bleibt auch darin ... aber das ist in Ordnung, nehme ich an. Die Jungs geben ganz schön an. Manchmal bleibt mir nichts anderes übrig, als das Gesicht in mein Handtuch zu drücken und dem Universum dafür zu danken, dass ich keine verräterische Erektion haben kann. Meistens der Moment bevor B. und G. mich ins Wasser schleifen und untertunken. Sollte mir das zu denken geben?

Lieber nicht. Ich mag nicht denken. Nur fühlen. Die Clique ist nicht wirklich mein Ort. Ich weiß das, ich bin kein Herdentier. Auch wenn ich das manchmal ein paar Sekunden lang gerne wäre, wenn ich sehe, wie einfach solche Mädchen wie Britta es haben im Leben. Aber das ist nichts, was man sich aussuchen kann. Manche haben Löckchen ... und andere haben Krallen. 

Irgendwann wird die Sommerclique sich wieder auflösen und zerbröckeln. Bald. Sobald es kalt wird und einige wieder zur Schule gehen, andere nicht. Der Gedanken erzeugt ein ziehendes, sehnsüchtiges Gefühl von Verlust - schon jetzt. Wie viele solche Sommer wird es noch geben? Nicht mehr viele, denke ich.”

(1985 -

after

before the boys of summer were gone)

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