Da stand ich und zerrte am Schlauch der Dusche und fluchte gemütlich vor mich hin. Bis mir klar wurde, dass es im Prinzip doch völlig gleichgültig war, ob ich den Schlauch unterm Ellbogen einklemmen musste, damit der Knick direkt am Hahn geradegezogen wurde und das Wasser spärlich tröpfeln konnte, denn das wurde sowieso nichts und ausserdem sind alte englische Badewannen in rosenfarbenen geblümten kleinen Badezimmern sowieso zum Baden und nicht zum Duschen gedacht. Ausserdem wollte ich doch raus, weg und andere Dinge sehen und nicht mich über Wasserschläuche ärgern. So sah ich mich praktisch gezwungen, den Vorhang beiseite zu ziehen, den herrlich duftenden Badezusatz zu benutzen und in dieser alten Badewanne zu entspannen.
Die Engländer der letzten hunderte von Jahren sind sicher selten grösser als 1,70m gewesen und mein Hotelzimmerchen kam mir fast wie eine Puppenstube vor, mit dem kleinen Sekretär aus Eichenholz, dem dicken rosenfarbenen Teppich und den schweren Vorhängen, alles fast ein wenig zu klein für mich und gerade deswegen wahrscheinlich so urgemütlich. Es war gut, dass ich den Laptop zuhause gelassen habe und das Handy nicht einschaltete.
Vor meinem Fenster lag rechts der Schlosspark, in Tweed gekleidete Herren mit Jagdhunden wanderten an dicken Eichen durch die unglaublich grüne Landschaft und wie üblich in englischen Hotelzimmern stand auf der Kommode in der Ecke ein Tablett mit einem Wasserkocher, einer Teekanne mit Tasse und einer Auswahl der unterschiedlichsten Brühgetränke - von Cadbury’s wunderbarem Kakao über Nescafé und Pfefferminztee bis hin zu diversen Schwarztees.
Links vor meinem Fenster befand sich eine kleine Kapelle mit Friedhof. Malerisch verstreut die Grabsteine, viele standen schief oder waren umgekippt. Ein eiliger Mönch, der bald mal seine stachlige Tonsur auffrischen sollte, stolperte über den Weg zu der kleinen Kirche, als ich mir meinen ersten Tee aufbrühte, und pünktlich zum Glockenschlag öffnete ich mein Buch.
Feuer und Stein. , Diana Gabaldon. Selten habe ich ein Buch in passenderer Umgebung gelesen, man möge mir verzeihen, dass ich diese atemberaubende Geschichte um Liebe im Wirbel der Zeiten und im schottischen Hochland nur in der Nähe von Windsor auf einem englischen Landsitz gelesen habe, aber trotzdem, es hatte was. Vielleicht war es nicht nötig, die rund 800 Seiten an einem einzigen Abend zu verschlingen, aber als ich das Buch mit glühenden Wangen niederlegte, wurde ich mit einem nachmitternächtlichen schaurig schönen Blick auf den Kirchhof und dem leisen Schuhschuh einer (sicher schottischen!) kleinen Eule belohnt. Hach, wie schön. Gut, dass ich den zweiten Band schon hier liegen habe, auch wenn ich dafür wohl nicht extra auf die Insel fliegen werde 😊
Am Tag darauf wanderte ich ein wenig umher und versuchte (oh mein Manderly, oder vielleicht auch Tara? Drogheda?) ein bisschen romantisch zu sein. Nur so für mich. Es endete aber mit einer elenden Schmachterei und wenn auch die Wiesen grüner sind in England oder es mir zumindest so vorkommt, so will ich doch alleine nicht mehr hin. Nicht mehr in diesem Jahrtausend, if I may say so. Ausserdem hatte ich das Gefühl, den gewünschten Effekt zustande gebracht zu haben: Abstand zum Alltag und einigen anderen Geschehnissen der letzten Zeit, Schlaf, Ruhe und mal wieder ein paar Bücher lesen, , am liebsten solche, die schon länger auf dem don’t forget me Stapel lagen (Neue Berufe in den Neuen Medien hatte ich auf dem Hinflug gelesen, war ganz ok. Und dass nicht jeder mit einer Homepage ein Online-Redakteur ist, das hatte ich mir schon gedacht *bg*)
Auf dem (Rück-)Weg nach London habe ich mich über Watermelon hergemacht (das gibts auch auf Deutsch!), aber damit bin ich noch nicht durch. Der Shopping-Rausch war schneller, und als ich dann entspannt, reichlich bepackt und mit tausend komplett überflüssigen Einkäufen - Bücher, Accessoires, Schokolade, Krawatten 😊 und mehr - in den Flieger kletterte, wollte ich auch wirklich nur noch nach Hause. Der Pilot war so nett, eine ganz lange Extrarunde über den Lichtern von London zu drehen, der Himmel war so nett, gerade zu dämmern und so trank ich einen Schluck Champagner, warf dem Stückchen Mond einen vorwurfsvollen Blick zu (der hätte sich aber echt mehr Mühe geben können) und wurde nach Hause geflogen. Das lässt sich ganz gut aushalten so, dachte ich noch, und dann muss ich eingeschlafen sein.
Jetzt bin ich wieder da. In meinem eigenen Bett aufgewacht, etwas ungehalten, weil ich vergessen habe, mir eines dieser kleinen höflichen Dienstmädchen in gestreifter Uniform mitzunehmen. So ein englischer Landsitz samt Personal, das hat schon was für sich. Hier wartete nur eine Tonne von Mail und niemand hat mein Handtuch vorgewärmt, als ich heute morgen duschte. Statt Glockenläuten Rasenmäher. Nun ja, dafür funktioniert der Wasserschlauch und der Herr im Haus sieht irgendwie auch bedeutend knackiger aus als der tweedige Typ, der mit den Jaghunden zwischen den geborstenen Eichen umherwanderte. Bleib ich also erst mal hier.
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