Am vergangenen Freitagmorgen war ich Zeugin, als ein Mann auf dem Fahrrad ein Kind über den Haufen fuhr, das ohne Vorwarnung auf den Bürgersteig rannte. Der Radfahrer hatte auf dem Bürgersteig nichts zu suchen, das höchstens vierjährige Kind hätte nicht alleine an einer Hauptgeschäftsstrasse herumeiern dürfen. Darüber habe ich aber nicht nachgedacht, bis wir nach endlosem Suchen endlich die Mutter von dem blutüberströmten Kleinen gefunden haben, Polizei und Krankenwagen kamen. Die junge Frau schätze ich auf höchsten 28, sie zerrte vier weitere Kinder mit sich herum und beim besten Willen sprach sie keine drei Worte Deutsch. Irgendwie war ich nachher wütender auf sie als auf den totenbleichen Radfahrer, der komplett geschockt und fertig war. Sie stieg in den Krankenwagen und fuhr mit Kind 1 weg, während die anderen Kinder - das älteste ein 8jähriges Mädchen - sich stumm an den Kinderwagen klammerten und zurückblieben, angeblich würde Papa bald kommen, aber wieso und woher? Sie hatte kein Handy, sprach kein Deutsch, kapierte nichts, glotzte nur blöde und verschwand mit dem kleinen Nasenbruch ins Krankenhaus.
Die Polizisten verhörten den Radfahrer und dann waren alle weg. Die Kinder verstanden mich bei solch leuchtenden Vorbildern natürlich auch nicht und ich war froh, dass die zwei im Doppelwagen schliefen und die anderen beiden nur stumm schauten. Irgendwann kam eine weitere Dame mit ebenfalls vier bis achtzehn Kindern, die konnte dann aber genug Deutsch, um ein Kind zu rufen, das sich ansatzweise verständigen konnte. Toll. Einfach super. Wie schön, dass diese Damen wenigstens so fruchtbar waren, denn ein bisschen Schwund gibt’s ja immer und bei derart verantwortungsvoller Betreuung in einem fremden Land ist es sicher besser, man hat ein paar Kinder mehr. Was, wenn es ein schlimmerer Unfall als “nur” ein Nasenbruch gewesen wäre? Was, wenn es um Transfusionen, Erbkrankheiten, Blutgerinnsel gegangen wäre? Fehlte nur noch, dass die Mutter auch losgeplärrt hätte. Aber nein, die war ganz locker, warf keinen einzigen Blick zurück auf die anderen Kinder, die sich auf dem Bürgersteig zusammenkauerten - an einer der größten Verkehrsstrassen Düsseldorfs. Zufällig stand ich ja dort herum, nur ist mein Marokkanisch eher rudimentär bis gar nicht vorhanden ... Ich finde es unglaublich, dass sie nicht mal genug Deutsch konnte, um ihren Namen anzugeben.
Wie wäre es denn mit folgendem Plan: Alle diese armen, ausrangierten und völlig überlasteten Lehrer, die sich schon mit 45 den Anforderungen eines normalen Arbeitslebens nicht mehr gewachsen fühlen, sollte man für Erwachsenenschulungen in Ausländerkursen einsetzen, und wenn es nur ein Tag in der Woche ist. So wären sogar die noch zu was zu gebrauchen und ich fand sowieso schon immer, dass niemand auf Dauer in einem Land leben sollte, dessen Sprache er/sie nicht spricht. Die anderen früh-frühpensionierten Menschen - und es gibt unglaublich viele, die fit genug für Abenteuerurlaube a la Jolo sind, zum Durcharbeiten aber nicht taugen *g* -könnten in der Zwischenzeit die Kinder der ausländischen Schüler/innen betreuen. Es gibt soooo viele Menschen, denen man eine vollwertige Arbeit nicht aufhalsen “darf”, aber einen Tag in der Woche müssten nach diesem simplen Plan auch die ran. Sind ja mehr als genug da: Auf dass sich niemand nutzlos fühle *g* und Deutsch für absolute Anfänger sollte ja nun jeder ausgebildete Pädagoge bei Bedarf unterrichten können. Oder überschätze ich die etwa. Könnte natürlich auch sein.
Wie ich darauf komme? Ganz einfach. Auf der letzten Zugfahrt habe ich schon wieder neben einer vorzeitig pensionierten Deutschlehrerin gesessen. Das ist mein Schicksal: Ein aufgeschlossener Gesichtsausdruck, auf den solche Leute direkt draufhüpfen, um mich zuzuschwallen. Leider redete sie nicht nur wie diese ekelige Renate Wallert, sie sah auch noch so ähnlich aus. Entweder sehen Lehrerinnen im Vorruhestand alle so oder so ähnlich aus oder ich habe wuchernde Alltagsparanoia. Grauslig. Allein an diesen Kurzhaarfrisuren und dem belehrenden Gesichtsausdruck kann man sie schon erkennen. Glubschbrille, warum eigentlich nicht mal eine mit guten Gläsern?! Es gibt durchaus Möglichkeiten, nicht immer wie Mama Eule auszusehen, aber na gut. Da sitze ich also, werde von einer altjüngferlichen Klaue am Arm gerupft, damit ich auch bloss nicht komplett auf Durchzug schalten kann und erhalte unfreiwillig eine herzliche, auf mütterlich-herablassend getrimmte Vorlesung über das Wetter, das Leben, die Lektüre unterwegs und den Nescafe der Bahn. Diese Frauen denken ja immer, sie hätten die einzig wahre Lebenserfahrung und es würde der Mitteilung an die restliche Welt bedürfen. Womit ich das nur immer verdient habe? Sie hatte selbstverständlich eine Tasche dabei, die sie nicht alleine heben konnte - wozu auch, wo der Rest der Welt doch nichts besseres zu tun hat, als hilfsbereit herbeizueilen.
Und wie sie mir da so selbstgefällig erzählte, wie schlau sie sich doch hätte zeitig pensionieren lassen, wuchsen laute böse Worte in meinem Kopf. Seid einfach froh, dass ich keinen Einfluss auf irgendwelche Gesetzgebungen habe, ich wäre glatt imstande, Beamte ohne jegliche Schonfrist und auch noch rückwirkend und übergreifend abzuschaffen 😉
Noch keine Kommentare → Am vergangenen Freitagmorgen war ich Zeugin, als ...