Heute ist der Brand vier Wochen her. Manchmal kommt es mir vor wie vierundzwanzig Stunden, dann wieder wie ein Jahr.
Wir kämpfen um Normalität, ich auch immer noch um einen lückenlosen Bericht (für mich, mir fehlen ganz viele Erinnerungen) und ich versuche vor allem einen Dank zu formulieren, der allen gerecht wird, die uns geholfen haben. Das dauert noch, unter anderem wegen der Erinnerungslücken und weil der Gedanke mich völlig überfordert, ich könnte etwas vergessen.
Überwältigend und allgegenwärtig ist immer noch das Gefühl der Wärme und Hilfsbereitschaft, das mich durch die ersten Tage getragen hat, als mein Mann auf der Intensivstation gelegen hat und ich kaum 5 zusammenhängende Minuten am Tag mit meinem Kind verbringen konnte.
99,9% der Menschen, auf die wir getroffen sind, waren wunderbar und haben diesen absolut krassen Ausnahmezustand verstanden, in dem wir uns befanden.
Man hat mir aber zwischendrin auch vorgeworfen, mich nicht bei allen bedankt zu haben, nicht alles Organisatorische in der von anderen geforderten Reihenfolge und Geschwindigkeit abgewickelt zu haben. Sogar dass unsere Helfer in der Übergangswohnung für uns spontan das widerliche Mittelstrahlgelb weggemalert haben und ich eine neue Matratze für Oliver geholt habe, statt die aus dem Sperrmüllkeller zu verschenkende zu nehmen (was ich mich nicht traute, wegen der Brandwunden 3. Grades und Hygiene), habe ich schon rechtfertigen müssen und ich glaube ernsthaft (und aus Gründen), wenige bestimmte Menschen würden ein zufriedeneres Leben haben, müssten wir nun verzweifelt an Straßenecken betteln.
Dank spontaner Hilfsbereitschaft und kluger Unterstützung ist aber genau das nicht eingetreten. Ihr seid ganz schön unglaublich.
Eins ist klar: Es sind sowieso nur die Erlebnisse mit den Guten, die für uns zählen und an die wir zurückdenken werden.
Die spontane Reaktion wäre “Ich schau mir bei Gelegenheit dann auch gerne mal an, wie die forsch-selbstgerechten Kritiker ein solches Ereignis bewältigen.” Aber die Wahrheit ist: Ich wünsche nicht mal den schlimmsten Menschen so einen Einschnitt in ihren Schutz-, Lebens- und Arbeitsraum.
In den ersten acht Tagen habe ich so gut wie nichts gegessen, nie länger als anderthalb Stunden am Stück geschlafen, meine überlebenswichtigen Medikamente unter widrigsten Umständen besorgt, mein Kind so gut wie irgend möglich versorgt/versorgen lassen und lebte einen entsetzlich anstrengenden Wachtraum, in dem ich über glühende Holzbalken lief wie mein Mann, meine Umgebung über mir unsichtbar aber spürbar den ganzen Tag lang meterhoch brannte und ich nur durchhalten konnte, weil man mir immer wieder erklärte: Alle leben, nur das Haus ist kaputt und die anderen konnten längst alle zurück in ihre Wohnungen, alle leben, keiner außer uns ist verletzt, alle leben.
Alle leben. Nur das zählte, jedenfalls für mich.
Um mich herum wickelten routinierte und teils auch hyperschnell genervte Spezialisten einen Brand- und Versicherungsfall ab, ich war mittendrin und musste funktionieren. Und ich habe funktioniert, so gut ich irgendwie konnte. Dank wertvoller Hilfe bin ich nicht sofort zusammengebrochen (sondern erst später), aber es hat über 10 Tage gedauert, bis ich tatsächlich begriffen habe, welche Spendenaktion da für uns läuft und dass unser Heim durch die Gebäudeversicherung wieder so aufgebaut wird wie vorher - vermutlich hat man es mir alles auch sofort gesagt, aber ich war völlig fertig und kämpfte hart am Anschlag, auch wenn ich offensichtlich nicht immer so gewirkt habe.
Wenn ich die Augen schließe, sobald es dunkler wird draußen, laufe ich immer noch durch hüfthohe Flammen und es ist alles andere als hilfreich, dabei ständig diesen Song aus “Buffy” zu hören, den mein Kopf unaufhörlich abspielt seit dem Moment, als unser altersschwaches Auto mitten in dem ganzen Chaos ausgerechnet auf der Ausfahrt der städtischen Müllabfuhr den Geist aufgab und die großen Müllwagen es jeweils umfahren mussten, während wir auf den ADAC warteten und das Handy unaufhörlich klingelte, weil es millionenfache Dinge abzuwickeln galt.
Diese vier Wochen waren schon verdammt bizarr.
And we are caught in the fire
At the point of no return
So I will walk through the fire
And let it
Burn
(Buffy - Walk Through The Fire Lyrics)
Wir kennen uns nicht aber ich bin von dieser Geschichte einfach immer wieder überwältigt und vor allem davon wie du sie offenbar bisher durchgestanden, nein gemeistert hast. Meinen tiefsten Respekt dafür.
Bei jedem deiner Tweets und Blogbeiträge habe ich darüber nachgedacht wie’s mir wohl in Deiner Situation ergangen wär um kurz darauf zum Ergebnis zu kommen, dass ich vermutlich keine der Situationen irgendwie annähernd so hinbekommen hätte.
Halt durch und mach weiter - nicht zuletzt Deinen Lieben zuliebe.
Gänsehaut.
Das ist ein solcher Albtraum, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, ob und wie ich das verkraften würde. Ich bewundere Dich dafür, wie Du es schaffst! Nur schade, dass es immer und überall ein paar Trolle und Neider geben muss. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du nun auch noch Dein “inneres Feuer” erfolgreich bekämpfst!
Ich bin immer noch nicht sicher, ob es richtig ist, zu kommentieren oder nicht.
Vor vielen Wochen haben wir uns gemailt, ich blieb dir eine Antwort schuldig, kam aus dem Urlaub wieder und erfuhr von eurer Geschichte. Ich hab dir nicht wieder gemailt, weil ich wusste, wieviele Emails du bekommen hast und ich es einfach für unangebracht hielt.
Ich würde gerne sagen: Es tut mir Leid, aber das sind so hohle Worte angesichts der Geschichte.
Deshalb möcht ich weiterhin auch gar nichts sagen, außer euch viele gute Gedanken zu schicken.
Ist jetzt vielleicht ein ganz doofer Spruch, aber ich sag ihn trotzdem: Nur die größten Menschen bekommen die größten Aufgaben.
Ich wünsche mir für dich, dass du dich bald fallen lassen und selbst aufgefangen werden kannst, dass du Ruhe findest, Zuversicht und einen Weg, zu verarbeiten, dass du nicht immer nur funktionieren musst.
Alles Liebe für euch!
Julia
Die, die von Herzen gern geholfen haben, brauchen keine große Dankesrede. Und die anderen können Dir egal sein. 😊
Alles Gute weiterhin, und viel Durchhaltevermögen.
Ganz schön heftig, was Ihr mitmacht. Gut, dass Ihr einander habt.
Deinen Satz: ‘Ich bin die reichste Frau der Welt’ werde ich niemals mehr vergessen, weil er so wahr ist. Und weil ich daran so oft denken muß (darf), schreibe ich Dir das jetzt auch mal.
Denn mir ist auch mein Reichtum (meine Familie) wieder bewußter geworden, als ich diesen Satz im Zusammenhang mit Eurer Situation gelesen habe.
Dafür DankeDankeDanke!!!
Liebe Grüße
Yaspiz
Bei diesem Text—- nein, bei diesem ganzen Thema muss ich weinen. Aber weil’s hier nicht um mich geht:
Alles - alles - alles - alles - alles - alles Gute euch. Möge dieser Albtraum möglichst schnell vorübergehen und ihr euer altes - oder ein neues, besseres - Leben (wieder)haben.
Ich drücke euch die Daumen.
Liebe Carola und Familie,
ich denke an euch und wünsche euch ganz ganz viel Kraft, auch die kommenden Wochen und Monate zu überstehen.
Ich bewundere dich für deine Stärke die du zeigst und ich bin beruhigt zu wissen, dass du aufgefangen wirst.
Ich wünsche euch so viel gutes, was ich momentan nicht in Worte fassen kann.
Danke, Ihr Lieben.
Liebe Carina P., am Freitag habe ich nach einer Untersuchung im Augusta versucht, sie in der Ambulanz zu finden und persönlich zu sprechen, weil ich mich doch leider an so gut wie nichts erinnere vom Brandabend. Man sagte mir, Sie seien in der Schule - aber welche und wo und so weiter, das wusste keiner. Leider hattte ich vergessen, dass ich morgens Heparin nahm und habe das Büro vollgeblutet (Zugang vom Handrücken entfernt, dann aber nicht lange genug festgedrückt danach), da bin ich dann mit der blutigen Kleidung auch lieber schnell nach Hause gegangen.
Ich schreibe mal eine Mail 😉
Liebe Carola,
ja, ich habe momentan schule, ich bin ja noch auszubildende und wir haben blockunterricht.
haben sie meine email-adresse noch?
(ansonsten steht sie auf meiner homepage im impressum)
liebe grüße,
carina
unbekannterweise lasse ich auch mal Grüße und viele gute Wünsche da. Ich leide still mit, habe schon ein paarmal die Auswirkungen eines Brandes mitbekommen - am Rande und von Ferne und ich bin mir sicher, man kann es eben NICHT ermessen, wie es tatsächlich ist und wenn man hundertmal daneben steht. Von der Ferne kann man nur ein klitzekleines bisschen helfen und es kommt einem doch so wenig vor. (Ich kenne Sie persönlich nicht und auch die Leute, die die Hilfsaktion aufgezogen haben. Aber ich habe keine Sekunde lang die Hilfsaktion angezweifelt, es war einfach klar und richtig)
Ich sag mal ganz deutlich, ich bin sicher, dass es hoffentlich jeder versteht, dass es Zeit braucht, dass nicht jeder Helfer genannt werden kann, dass einfach das eine oder andere Dankeschön unter den Tisch fällt, einfach weil es nicht anders geht. Und wer’s nicht versteht, dem kann man auch nicht helfen. Es ist doch auch normal, dass es eben noch ganz lange nicht normal ist und dass so ein tiefer Einschnitt sehr, sehr lange braucht. Kampf um Normalität, das ist sicher der richtige Weg und er ist nicht leicht.
Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie gruslig es ist, den eigenen Erinnerungen hinterherzusuchen. Außenstehende denken wohl, es ist doch egal, aber man sucht eben doch Krümel für Krümel die Erinnerung zusammen.
Ich weiss nicht, ob es hilft, wenn man weiß, dass diese Versicherungs/Neid-Geschichten, wie auch immer man sie nennen mag, öfters in solch einer Situation vorkommen. Es ist nicht der erste Brandfall, in der solche Sätze gesagt werden. Leider. Scheint also irgendwie an Urängsten zu rühren.
Ich wünsche der ganzen Familie weiterhin viel, viel Kraft und bin sicher, Sie kriegen das alle gemeinsam gut hin, auch wenn es viel, viel Zeit und Kraft braucht.
Liebe Grüße
Tine