Früher habe ich gedacht, dass es wichtig ist, früh aufzustehen, um zu normalen Zeiten erreichbar zu sein. Jetzt lese ich meine Mails, Feeds und Spam-Ordner gemütlich mit Laptop und Telefon im Bett und stehe dann erst auf.
Früher habe ich es sehr belastend gefunden, wenn ich merkte, dass jemand aufgehetzt worden war und cliquengefällig hirnlos hetzte. Jetzt finde ich es genau genommen gut, denn so ist sofort klar, dass derjenige nicht lohnt - man spart Zeit.
Früher habe ich gedacht, dass man sich irgendwann erwachsen fühlt. Jetzt weiß ich, dass man sich bloß wahlweise erfahrener, reifer, älter, müde oder gleichgültig fühlt. Oder neugierig, experimentierfreudig, flexibel, unbelehrbar, zufrieden.
Früher war ich fassungslos, wenn jemand sich wie ein dummdreist geschwollenes Arschloch benahm und dabei noch laut herumbrüllte, dass die anderen ja alle so nachweislich dummdreiste unfaire feiste Arschlöcher seien. Jetzt hab ich das schon zu oft erlebt.
Früher habe ich gedacht, dass jemand wirklich einen Weg sucht, wenn er sich über etwas beschwert. Jetzt weiß ich, dass den meisten leider der simple Prozess des jammernden Dampfablassens bereits ausreicht als Veränderungsgefühlsersatz.
Früher war ich hilfsbereit und offen und verschwendete viele Tage und Wochen mit Dingen, die anderen Leuten dann gut gefielen. Jetzt bin ich immer noch hilfsbereit und damit beschäftigt, wenigstens halbwegs nett und offen zu bleiben.
Früher habe ich intensive interne Konfliktanalysen betrieben, wenn ein Kontakt zerbröselte. Jetzt weiß ich, dass solch ein ‘Verlust’ absolut ein Gewinn ist, wenn die Chemie so gar nicht stimmte - und weiß diese Erkenntnis auch umzusetzen.
Früher habe ich Bücher bis zur letzten Seite gelesen und jeden Kinofilm halbwegs durchgehalten. Jetzt klappe ich zu, was mich nicht fesseln kann und gehe lieber spazieren oder schlafe, als einen öden Film durchzuhalten.
Früher habe ich gedacht, die krassesten Typen aus Unterhaltungsserien und –büchern seien der Fantasie der Autoren entsprungen, um ein simpel gestricktes Publikum zu befriedigen. Jetzt weiß ich, es gibt diese ‘Klischeemenschen’ tatsächlich.
Früher hätte ich gedacht, Ezmeraldo Klyntensteen müsse trotz seines Berufs im niederen Marketing schon aufgrund des Namens eine schillernde Figur sein. Jetzt ahne ich, warum er sich mit Penisvergrößerungswünschen so gut auskennt.
Früher hätte ich auch schon jede Menge Ablenkung online gesucht, wenn ich eigentlich einen Text zu Ende schreiben sollte. Jetzt nutze ich die Trödelzeit bis zur Überwindung für Haarkuren, Pflegemasken, frischen Espresso und endlich mal wieder einen Blogeintrag.
Nun, das macht wohl das Älterwerden. Aber schön ist es trotzdem. Ich (40) habe vor ein paar Wochen eine unnötige Anspielung auf das Alter meiner Mitarbeiterin (31) gemacht (völlig und total überflüssigerweise). Wir haben beide kurz gelacht und dann gemeinsam festgestellt, 18 wollen wir beide nicht mehr sein, nicht mal 25. Ab 30 ist das Leben doch deutlich entspannter.
Entspannter finde ich es eigentlich nicht. Spannender, und viel schöner. Ich würde kein einziges Jahr zurückgeben 😊
Titel….
Wer braucht sie?
Ist es nicht seltsam, dass ich an die Titel, die ein Mensch haben kann, gedacht habe. Dr. Abteilungsleiter oder Vicepresident. Wer braucht diese Titel um glücklich zu sein.
Kann man nicht sagen: Früher dachte ich betitelte Damen und Herren wären Größen. Heute weiß ich, dass sie auch nur mit Wasser kochen. Manche machen nur mehr Dampf.