Taking the long road home

Wir haben Nandi gestern aus der Tierklinik geholt und zum Tierfriedhof gebracht, um ihn zur Einäscherung abzugeben. In der Klinik und dort hat man sicherlich gedacht, dass ich ihn in irgendeinen alten Lappen eingewickelt habe und ich verspürte die ganze Zeit den unsinnigen Drang, darauf hinzuweisen, dass es sich um mein orangesonnenrotes Lieblingshandtuch handelte, das zugegebenermaßen zwei Jahrzehnte auf dem Buckel hat, aber trotzdem nicht nur irgendein Lumpen ist. Wahrscheinlich habe ich es auch getan (darauf hingewiesen), ich weiß es nicht mehr. Gestern war ein schlimmer und seltsamer Tag.

Ein toter kleiner Kater ist sehr hart und schwer und ich habe es nicht geschafft, ihn aus dem Handtuch zu rupfen, um ihn noch einmal anzuschauen, denn es war um seine Pfoten gewickelt und dann sollte das wohl auch alles so sein. Aber die Ohren habe ich noch streicheln können, die zarten golden getupften Dinger mit dem rosa Schimmer und den Puscheln daran. Sie fühlten sich an wie immer und ich musste mich irgendwann zwingen, damit aufzuhören.

Dann half ich dabei, ihn in eine dunkelrote Plastiktüte zu stecken, ein Etikett daran zu heften und in einer Tiefkühltruhe zu versenken. Was ich jetzt unendlich schlimm finde, auch wenn es nicht zu ändern ist. Er hatte es so gerne warm, er liebte Fußbodenheizungen und Heizdecken und Sonnenstrahlen, und jetzt liegt sein harter kalter kleiner Körper in einer Tiefkühltruhe in Volmerswerth und wartet darauf, am Mittwoch eingeäschert und dann in unserem Garten verstreut zu werden. Und seine Ohren fühlen sich noch an wie immer. Ich weiß es genau.

Vor der Treppe wächst ein großer Rosenstrauch, der muss ganz neu vom Gärtner gesetzt worden sein, er blüht jetzt gerade (?) trotz der Jahreszeit. Seine Blüten sind sahnefarben mit einem goldenroten Kern, das scheint mir der richtige Platz.

Es tut weh. Wir vermissen ihn schmerzlich.

Miss Peppermint ist sehr unglücklich. Völlig verstört. Sie schreit nicht mehr so viel, aber sie liegt zu einem traurigen kleinen Klops zusammengerollt in den Ecken herum und man muss sie lange kneten und knuddeln, um ihr das Schnurren zu entlocken, das sonst ganz von selbst durch den Raum rollte. Sie sieht auch irgendwie ein bisschen platt und ziemlich elend aus und entspannt sich nur noch, wenn sie auf dem Arm gehalten wird.

Dieser Eintrag entsteht einhändig, weil mein linker Arm ein verzweifeltes dickes Katzenmädchen festhält und sie ein bisschen beruhigend zwackelt, während ich tippe, aber gleich werde ich sie weglegen (auf die Heizdecke) und meinen Weg zurück in die Arbeit finden müssen, und zwar sehr dringend.

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Was Miss Peppermint nicht weiß: Ich habe eine Möglichkeit gefunden, mein Herz noch ein Stück tiefer zu brechen. Für unsere kleine Miss, der ich auch etwas versprochen habe, weil sie noch nie ohne Katzenkumpel war und das auch nicht sein soll und weil keine Zeit der Welt ändern kann, was geschehen ist und was nun organisiert werden muss.

(Und damit ich die

entsetzlichen

wohlmeinenden Menschen loswerde, die mir jetzt alle quälend ins Gesicht predigen müssen, wie es ihren Vorstellungen nach weiterzugehen hat und wo wir eine ihren Erwartungshaltungen entsprechende neue politisch korrekte Katze herbekommen und die mich mit ihren eigenen detaillierten Trauer- und Horrorgeschichten quälen, die offenbar unbedingt genau jetzt und unbedingt mal wieder ausgerechnet mir erzählt werden müssen, warum auch immer.)

Es ist schon entschieden.

Mir reißt es das verräterische Herz mitten durch, aber ich freue mich für Oliver und Miss Peppermint und die Freude und Zärtlichkeit, die sie mit dem neuen Kater haben werden. Wenn der schwarzflauschige Teenager mit den weißen Füßen und den großen Puschelohren hier einzieht, wird das dicke alte Mädchen ganz schön blöd aus der frisch getrocknerten Bettwäsche schauen und dann erst mal alle Pfoten voll zu tun haben mit der Erziehung.

Wir auch, nehme ich an.

Und dass ich nicht aufhören kann zu flennen, weil mein goldenes Glücksbärchen tot ist und es hier nie wieder einen sahnefarbenen Kater geben wird, das ist eine andere Geschichte. Eine ganz andere.

5 Kommentare Taking the long road home

  1. Avatar Marion 18.10.2005 um 20:38 Uhr

    Nandi hatte ein wunderbares Zuhause und Menschen, die ihn von ganzem Herzen geliebt haben und nie vergessen werden. Er konnte beschützt und behütet in Frieden sterben. Mit dem Verlust fertig zu werden ist sehr schwer und tut furchtbar weh, aber für den kleinen goldenen Löwen hat sich der Kreis geschlossen.

    Um dich zu trösten, könnte ich sowieso nicht das richtige sagen. Für eine bestimmte Art von Schmerz gibt es einfach keine Worte, ihr habt ein Familienmitglied verloren :-( Es tut mir sehr, sehr leid :-( 

  2. Avatar Wapiti 18.10.2005 um 23:44 Uhr

    Ach Mensch, mir fehlen einfach die Worte. Ich wär jetzt gerne bei Dir um Dich einfach nur in den Arm zu nehmen.

    Sorry, ich kann nur mitfühlen, aber ich kann keine Worte finden die das richtig ausdrücken.

  3. Avatar Biggi 23.10.2005 um 21:34 Uhr

    Ich hab hier lange nicht mehr reingeschaut (und mich selten zu Wort gemeldet) - und dann sowas :-(  Ich hab Gänsehaut…

    Es tut mir sehr leid. Ich hab einen solchen Tag noch vor mir und mag nicht dran denken, wie es sein wird. Ich fühle jeden Satz, den ich gelesen habe, mit Dir!

    Biggi

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