Sex sells. Auch Leichen.

Wer für die Körperwelten-Ausstellung online eine Karte bestellte, erhält den Newsletter von Gunther von Hagen. Den ich bisher ungelesen in den Spam klickte, denn ich bereue es seitdem immer mehr, in die Ausstellung gegangen zu sein. Diesmal aber heißt der Newsletter »“Nackte Nächte” in Frankfurt« und die Neugier siegte: Nackter können die Leichen nicht sein, was also hat er sich ausgedacht, um die Geldmaschine bis auf die Spitze anzutreiben?

Nacktmodelle (“gut gebaute, hüllenlose Models”), die darum konkurrieren (“im Rahmen eines Performance-Wettbewerbs”), einen Preis als bester anatomischer Nacktmoderator (“neben einer Augenmaske anatomische Namen wie “Arteria”, “Vena” oder “Musculus”) zu gewinnen (“Bewertet werden drei Disziplinen: Didaktik, Körperpräsentation und Dialogfähigkeit. Nach zehn Tagen winkt den drei Gewinnern des Wettbewerbs ein Preisgeld von insgesamt EUR 20.000”).

“Ein Hauch von Big Brother: Im Rahmen eines Performance-Wettbewerbs werden in den ersten fünf Tagen - vom 1. bis 5. Juni - insgesamt zwanzig enthüllte Anatomie-Instruktoren die “Nackten Nächte” einläuten. Doch nur die zehn Besten werden den Besuchern in der zweiten Woche vom 6. bis 10. Juni erneut vergleichende Anatomie demonstrieren. Wer ist die Cleverste, wer ist der Schönste?”

Sauber abgerundet wird die verstörende Aktionsankündigung durch den Aufruf “Die KÖRPERWELTEN suchen für die “Nackten Nächte” in der Ausstellung in Frankfurt-Fechenheim Anatomie-Models, weiblich wie männlich, die in einem Crashkurs auf ihre Aufgabe vorbereitet werden. Voraussetzungen: Zeitliche Verfügbarkeit vom 1. bis 10. Juni, jeweils 21 bis 24 Uhr. Anatomisch perfekte Körperform (gut ausgebildete Muskulatur). Körperbewusste Bewerber aus den Bereichen Sport, Tanz, Bodybuilding werden bevorzugt.—Den drei Gewinnern des Performance-Wettbewerbs winken Preisgelder von insgesamt EUR 20.000!”

Mir persönlich fehlt da noch der Hinweis auf die spritzige splitternde Abschlussparty. Was kommt als Nächstes? Nacht der reitenden Leichen, Tanz der Toten, wir basteln uns ein Rippen-Xylophon, Nacktmodelle treiben es anatomisch korrekt auf Knochenbergen ... wo ist die Grenze, sieht denn keiner, dass sie längst überschritten ist und warum stoppt niemand diesen Mann, der seinen Wanderfriedhof jetzt auch noch zur RTL-Show umbaut?

6 Kommentare Sex sells. Auch Leichen.

  1. Avatar Sandra 11.05.2004 um 15:56 Uhr

    Und ich sag noch, der Typ ist gruseliger als jede Leiche es jemals sein könnte. Aber jetzt wird es echt abartig. Mich würde interessieren, wie er das jetzt wieder als “wissenschaftliche Aufklärung” rechtfertigen will.

    On second thought, nein, eigentlich interessiert mich das doch nicht. Was für ein kranker Blödsinn.

  2. Avatar Axel 11.05.2004 um 16:15 Uhr

    Zitat von der Homepage unter “Ziele”: Die Ausstellung will aufklären und vor allem dem medizinischen Laien die Möglichkeit eröffnen, den Körper und seine Funktionen besser zu verstehen. Sie will helfen, die Natürlichkeit unseres Körpers wieder ins Bewusstsein zu rufen und eine Vorstellung von der Individualität und anatomischen Schönheit des Körperinneren zu gewinnen.

    (Melody! Waren es meine Mails? Dann tut es mir leid!!!)

  3. Avatar Martina 11.05.2004 um 18:15 Uhr

    Ich weiss, warum ich schon in die erste Ausstellung nicht wollte, es ist so unethisch, überschreitet jede Grenze, mir wird bloss beim Gedanken daren übel.

    Rechtlich scheint man ihm aber nichts anhaben zu können, also ist Abstimmung via Nichthingehen gefragt.

  4. Avatar Johannes 12.05.2004 um 01:05 Uhr

    Pfft. Der will doch auch nur Geld verdienen. Nach der Spiegel-Geschichte muss er neue Themen anpacken, das Leichengeschäft alleine reicht eben nicht mehr. Und was verkauft sich bitteschön besser als Nacktheit? Wie schon in der Überschrift steht: sex sells.

    Über den menschlichen Umgang mit Moral und Leichen reden wir wann anders noch einmal.

HINWEIS: Kommentieren ist in diesem Eintrag nicht mehr möglich.