Immer wieder beobachte ich fasziniert, wie mir begegnende oder auch mir näher bekannte Menschen danach streben, etwas oder jemand bestimmtes zu sein. Meistens etwas, das sie bei anderen gesehen haben und auch haben oder sein wollen. Neid ist bei vielen ein Motor, oft greift auch das Nesthäkchen-Syndrom: Auf die billige Tour an Erfolge kommen, für die andere hart arbeiten – so wie das jüngste Kind einer Familie immer von Entwicklungen profitiert, die eigentlich andere betroffen haben.
Das kenne ich so gar nicht: Etwas »auch« sein wollen, das andere sind. Ich habe ganz stark das umgekehrte Phänomen. Schon immer wusste ich, wie ich nicht leben wollte – oft sofort, nachdem ich es bei anderen sah. Jahrelang habe ich zum Beispiel in kalter Panik gelebt, ich könnte mich fast ohne mein Zutun in eines dieser noch recht jungen dumpfen weiblichen Wesen im Anorak verwandeln, die entleerten Gesichts ein paar Kinder durch Parkanlagen zerren (und bestimmt heimlich zu Hause ein ganz, ganz tolles und intensives und hochintellektuelles Leben führen, aber alleine dieser Gesichtsausdruck ....). Mit einem richtigen Ruck der Erleichterung stellte ich dann irgendwann fest, dass ich nun glücklicherweise zu alt war, um so eine ja doch recht typische Frau mit einem entleerten Gesicht, einem engen Horizont und zu wenig beruflichen und anderen zukünftigen Aussichten zu werden. Kein Scherz. Genau so war das.
Und jetzt wieder so eine Phase, in der ich andere – in meinem Alter? Oder wenigstens ungefähr – dabei beobachte, wie sie Dinge tun, die ich niemals sein werde, solange ich es irgendwie verhindern kann. Und ich schätze mal, ich kann.
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