P wie Paulina

Ab und zu, da fällt einem etwas ein, das lange verschüttet war. So wie die eigentlich unwichtige Erinnerung an Paulina eben. Paulina.

Ein hübsches Porzellanpüppchen mit dunklem Pagenkopf, eine verwöhnte und temperamentvolle Schulschönheit mit dem Kopf voller Flausen und Kreativität. War vor dem Abi so selten in der Schule wie ich und daher genau so oft am Zusammenrechnen irgendwelcher Punkte für gerade-noch-so-eben Zulassungen zu irgendwas. Als Verbündete kann man uns nicht bezeichnen, wir waren zu verschieden. Aber wir hatten ähnliche Ängste, punktezusammenrechnungsbedingt. Und ab und zu liefen wir zusammen um den See.

Wenn ich an einem Abend wie heute die schmerzenden Schultermuskeln dehne und zufrieden vorausschaue dahin, wo sich schon ein Ende des Stakkato-Stress abzeichnet ... und weiß, es hat sich gelohnt, immer viel zu lernen und Dinge zu probieren und keine Scheu vor harter Arbeit zu haben. Dann denke ich ab und zu an Paulina in ihren zartvioletten Gummistiefeln, die ihr Dior-Täschchen schwenkte, die perlmuttfarbenen Fingernägelchen in ihren strassbesetzten Gürtel krallte und freudestrahlend von der Landwirtschaftslehre erzählte, die sie bald beginnen wollte.

Den Moment, als sie diese Botschaft von ihrer Zukunft als Bäuerin verkündete, den werde ich wohl nie vergessen. Denn ich hielt den Mund. Zum ersten Mal hielt ich bei einem gleichaltrigen Gespräch über berufliche Planungen (in denen ich ja auch steckte) einfach nur den Mund. Statt zu sagen, was ich dachte: “Wozu? du bist nicht im Entferntesten der Typ, der sich ernsthaft dafür interessieren würde, das erstens durchzuhalten und zweitens dann so zu leben.” Sie hatte irgendwo aufgeschnappt, dass eine Landwirtschaftslehre schick sei, zweifellos.

Es war in dem Moment so sonnenklar abzusehen, dass sie es hinwerfen und sich dann ein paar Jahre lang wahllos und auf Papis Kosten durch die Gegend ficken würde, um sich später mit einem anderen einigermassen gut gestellten Erben zu vermählen, um fortan den meisten Leuten gegenüber zu behaupten, ihre Hobbyfotografie sei ihr Beruf. Jedes Wort wäre Verschwendung gewesen. Mal davon abgesehen, dass ich auch nicht wusste, was ich wollte. Nur dass man es zweckdienlich einsetzen könnten musste, falls man es nicht immer oder nicht wirklich machen wollte ... das wenigstens war mir klar. Aber das ist eine andere Geschichte. Und was Paulina angeht:

Ich glaube, ich will gar nicht wissen, wo sie steckt.

Noch keine Kommentare P wie Paulina

HINWEIS: Kommentieren ist in diesem Eintrag nicht mehr möglich.