Es regnet. Die Luft ist wunderbar klar und es ist so schön in diesem kleinen Häuschen, wenn die Fenster weit offen sind und der Garten sanft ertrinkt. Seit Monaten knipse ich ständig alles, alle und jeden hier drin für unsere Fotokiste. Als wäre es möglich, die Atmosphäre einzufangen und zu konservieren, oder auch einfach nur, falls meine Gedächtnisstörungen noch mal wiederkommen.
Das glaube ich zwar nicht. Aber ich möchte auch in 20 oder 50 Jahren noch wissen, wie das Wohnzimmer aussah, nachdem wir einfach das Sofa fortgeworfen haben. Was ich für eine Schrankwand entworfen hatte, welchen Rolltisch Oliver für unser Bett gebaut hat, wie unser Wandbild aus Filmpostern der 50er an genau der Wand aussah und wie immer noch ein Computer und noch ein Computer mehr fast unauffällig ins Cockpit integriert wurde. Wie die Silhouette eines kleinen dicken Katers im Fenster aussieht, der leider nicht ewig leben wird, aber hoffentlich noch lange. Der runde Rücken eines vor Wonne vibrierenden Katzenmädchens, die unauffällig bis ins Bett führenden Netzwerk-Kabel.
Ich fotografiere das Essen, den Flur, uns, die Katzen, die Wände und das Bad, um alles festzuhalten, das uns hier hält. Doch dabei tritt mehr und mehr der gegenteilige Effekt ein und mir wird immer bewusster, dass wir nicht ewig hier wohnen werden. Dabei ist kein Ende in Sicht, wir haben gar nicht vor, umzuziehen. Wir wissen nur, dass wir es irgendwann werden, weil 2 Zimmer eben immer nur 2 Zimmer sind und somit mindestens eins zu wenig. Aber durch den Versuch, das Heute festzuhalten ... rückt das Vergängliche näher. Schsch. Go away.
Ich werde weiter fotografieren. Und planen. Denn ich kann nicht aus meiner Haut. Diese Fotos will ich haben. Auf Papier. Reale Fotos, keine flüchtigen aus der virtuellen Welt. Ich werde wohl auch weiterhin an zukünftige Wohnungen denken bei jedem Bild, das ich in die Fotokiste lege. Aber auch an diese. Und das verfrühte Bedauern spar ich mir ab heute.
»Carpe diem« kann mehr als ein schwülstiges und überbeanspruchtes Zitat sein, man kann durchaus eine Art Wrestling aus dem Alltag veranstalten, wenn man nicht aufpasst. Für einen adrenalinsüchtigen Control Freak wie mich, die am liebsten jeden gelassenen und glücklichen Moment in Kunstharz gießen und in der Ablage atombombensicher verwahren möchte ... ist es jeden Tag aufs Neue eine harte und sinnliche Lektion, dass man das Leben nehmen muss, wie es kommt. Nein. Hart und sinnlich schließt sich absolut nicht aus.
Think about it 😉
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