Montagmorgen

Es muss um kurz nach 4 Uhr früh gewesen sein, als meine Träume den Punkt erreichten, als ich halb unter dem Wagen hängend die Straße hochgeschleift wurde und sich der Knoten endlich löste, ich schreie konnte und endlich Angst haben durfte, statt zu funktionieren. Wie gut, dass ich so verwöhnt bin, was Hotels angeht. In irgendeiner Klitsche in Familienbesitz dürfte man größere Probleme damit haben, wenn verletzte Gäste sich auf ihr Zimmer schleichen wie angeschossene Tiere, um dort tagelang im Dunkeln ohne Nahrung heilenden Schlaf zu suchen. Hier reichte ein Call an die Rezeption.

Allerdings werde ich wohl Zusatzkosten haben, das Bettlaken und ein paar Handtücher sind blutig und alles kriege ich sicher nicht per Hand rausgewaschen. Egal, ich lebe noch. Kann es selbst nicht ganz fassen, dass ich erst noch ausgegangen bin, später einfach blutend ins Bett gekrochen dann, kein Krankenhaus aufgesucht habe. Oder doch. Kann ich sehr gut fassen. Aber um medizinische Betreuung kann ich mich jetzt ja kümmern.

Und was gewisse Mails angeht: Ja sicher bin ich ein bisschen zu gut im Training, was das Verstecken körperlicher Beschwerden angeht. Ich bin die 2003er-Version der kleinen Meerjungfrau – nicht klein oder niedlich, aber ständig wie auf Messerschneiden laufend und unerschütterlich besessen von manchen Dingen, die ich tun will. Habe zwar eine Stimme, trage aber vor allem eine Maske. Um nicht zu humpeln, um nicht geschimpft zu werden. Weil es mit mangelnder Leistungsfähigkeit verwechselt würde.

Und wenn niemand weiß, dass du noch lächelst und scherzt, bevor du vor Schmerz ohnmächtig wirst, kann dir auch keiner helfen. Das sehe ich ein. Denke aber nicht, dass es sich ändern wird. Das sollte es auch nicht. Schmerz ist etwas sehr Privates, nicht so wie Unfall-, Urlaubs-, Reiseberichte oder laute Überlegungen in Weblogs.

Ich würde mich gerne besser erinnern an die letzten Tage, aber es kommen nur Fetzen zurück. Sehr viel Schmerz vor allem, viele verschiedene Sorten. Fieber. Heute fühle ich mich wie eine Ganzkörperwunde, aber immerhin, der Schock ist wohl verflogen.

Nun werde ich bald mal schauen, ob und wann und wie ich hier wegkann und wohin ich dann fahre. Wie weit ich komme? Ich bin schon groß, oder wie war das. Ich schaff das schon. Würde mir ja auch nicht viel helfen, wenn nicht.

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich den Unfall nicht bereue, denn es ging ja nur um meine Haut und es war nie jemand anderes in Gefahr. Ab der Sekunde des Geschehens geht das in der Reihenfolge: „Werde ich sterben? Nein, diesmal noch nicht. Also muss ich heilen, am besten in einer einsamen dunklen Höhle.“ Meine Haut ist auf meiner Seite, Wunden schließen sich schnell, und im Schlaf heilt vieles. Gestern passte das rechte Knie nicht durch die Jeans, heute wird es gehen.

„warum geschehen dir ständig solche Dinge?“ fragte eine frühere Bekannte immer in diesem latent selbstgerechten Tonfall der Leute, die damit eigentlich schon eine vernichtende Antwort mitliefern möchten. Ja, warum? Hab ich dann bloß immer gelacht, statt mir das Gesülz anzuhören. Das Pendel schlägt nach beiden Seiten mit gleicher Macht aus. Ich fragte ja auch nicht, ob sie und ihr Bratwurstgesicht es denn niemals vermissten, zu Asche zu werden in den Armen dämonischer Liebhaber.

Noch keine Kommentare Montagmorgen

HINWEIS: Kommentieren ist in diesem Eintrag nicht mehr möglich.