Mein Text für die ECON-Pressemappe Mai: “Vor ...

Mein Text für die ECON-Pressemappe Mai:

“Vor einer Stunde habe ich mit Todesverachtung meinen Computer aufgeschraubt und eine ISDN-Karte eingebaut. Es ist nicht etwa so, dass ich von solchen Dingen grosse Ahnung haette, ich habe bloss keine Wahl. Seit meine zweite Homepage, die “einzig wahre offizielle deutsche Emanzen-Homepage” in den deutschen WWW-Charts unter den ersten Plaetzen klebt, ist es nicht mehr sehr einfach fuer mich, mir fuer solche technischen Notfaelle mal eben einen maennlichen Helfer auszuleihen.

Dabei hat alles so harmlos angefangen. Erst hatte ich eine kleine Homepage, die sich sehr schnell mit Kurzgeschichten und Erzaehlungen fuellte. Aus der simplen Absicht, eine Werbeseite fuer mein im April erscheinendes Buch “Liebe auf den ersten Klick” zu publizieren, wurde schnell ein staendig wachsendes Webprojekt. Es lief so gut, dass ich aus allen Ecken Ratschlaege von wohlmeinenden Herren erhielt. Das hat mich geaergert - herablassende E-Mail von Maennern, die selbst entweder keine oder nur eine sehr nichtssagende Seite im Web stehen hatten. Was bildeten die sich eigentlich ein?

Andererseits ging es mir natuerlich auch nicht anders als der Hauptdarstellerin meines eigenen Buchs. Einmal habe ich etwas aengstlich meine Lektorin gefragt, ob es denn schlimm sei, dass “Annie” dem typisch- maennlichen Verhalten so unverbluemt begegnet. Die Antwort war beruhigend klar strukturiert: “Aber wenn es doch nun mal so ist?” Stimmt. Die Wahrheit verfaelschen wollte ich ja schliesslich auch nicht.

Eines Tages oeffnete ich dann meine Mail und fand: Maenner, die davon ausgingen, dass ich mich mit ihnen treffen wuerde, weil sie versprachen, irgendwann mein Buch zu kaufen. Überhebliche und komplett unbrauchbare Anweisungen, wie ich nach Ansicht jener Herren meine Homepage umzuprogrammieren haette. Ausserdem “Deine Homepage ist gar nicht so uebel fuer eine Frau” und “Gefaellt mir ganz gut. Wer hat Dir denn geholfen?” Und einen sogenannten Menschen, der mir mitteilte, wie ich mich optisch umzugestalten haette, damit ich auch mal einen Mann kennenlernen wuerde. Es war zum Heulen. Und auch zum Lachen. Soviel peinliche Selbstueberschaetzung schrie nach Strafe - und so entstand die Emanzen-Homepage.

Zuerst habe ich sie niemandem gezeigt, sondern sie nur bei den Suchinstrumenten des World Wide Web angemeldet. Aber schon nach wenigen Tagen liess sie sich wegen ihrer hohen Besucherzahlen nicht mehr verheimlichen und die Arbeitskollegen teilten mir freudestrahlend mit, dass Radio SWF3 und der Fernsehsender VOX so freundlich gewesen waren, mich bundesweit als Emanze zu outen. Anfangs war das ganz schoen hart. Und wie gesagt, mit so einem Image als unfreiwillig militante Feministin kann man auch nicht mehr damit rechnen, dass in vielen maennlichen Mitmenschen im Bedarfsfall ein Kavalier erwacht, nicht mal, wenn es um eindeutig maennlich-technische Fachgebiete geht. Oder so. Dafuer finden manche maennliche Journalisten es immer noch erwaehnenswert, wenn eine Frau ein Buch schreibt, in dem ein Computer vorkommt (oder gar ein Modem).

Jetzt gehe ich ab und zu in ein Internet-Café und setze mich hilflos guckend vor ein Terminal (ich bin blond), damit mir jemand - vorzugsweise ein gutaussehender junger Herr - zeigt, was eine Homepage ist. Einige meiner Bekannten behaupten zwar, ich sei ein durchtriebenes Luder. Aber ich sehe das ein bisschen anders. Was kann ich schon dafuer, dass soviele Maenner nicht verstehen, dass die Emanzen-Homepage zu mindestens drei Prozent Satire ist?

Die ISDN-Karte funktioniert uebrigens einwandfrei.”

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