I’ve got that thinking feeling

Mit dem Kaffeepott in der Hand zum Blogeintrag ansetzen und mal wieder merken: So einfach ist das nicht mehr, man will einfach nicht mehr so viel und locker erzählen wie früher.

Unvergessen ein Tag vor einigen Jahren, an dem ich mich über Wochen aus dem Tal der Schmerzen hochgekämpft hatte und endlich eine ganze lange Strecke laufen konnte, ohne alle paar Meter anzuhalten und diesen Trainingserfolg für das geschwächte Bein mit einem Shopping-Trip inklusive Restaurantbesuch feierte. Es war ein toller Tag, ich kam nach Hause und bloggte spontan einige Zeilen darüber, Sonne, Shopping, Steak - mir geht es gut, man muss auch dankbar sein dürfen. Eine halbe Stunde später eine Mail in der Box, gallebitter schwarz dräuende Gehässigkeit: eine hirnlose konsumgeile **** sei ich, er würde mich nun nie wieder lesen. Baff.

Da sitzt man dann und hätte sich fast gerechtfertigt. Das war damals, als es nur knapp 100 Blogger 😊 gab und man noch nicht so oft horrende Leute getroffen hatte, deswegen prägten sie sich mehr ein. Dank Google wusste ich damals schnell, wie der Absender wirklich hieß und wo er bloggte und hatte dann nicht mehr das Gefühl, irgendwas erklären zu wollen. Es war dann irgendwie egal, nachdem ich sein eigenes Blog gelesen und verstanden hatte, dass er nicht so wirklich zufrieden war und ich als Ventil hatte herhalten sollen. Aber es hat mir eine oder zwei Stunden aus einem Tag gerissen, der ein Sieg sein sollte über eine ziemlich miese Phase und deswegen vergesse ich das nicht wirklich, auch wenn ich natürlich normalerweise nicht daran denke.

Wenn ich etwas bloggen möchte und es mir dann anders überlege (wie heute), dann fällt mir diese Ätzmail wieder ein. Denn da hängen sie jetzt dutzendfach an den Leitungen, die ganzen kleinen Cyberkröten, die den ganzen lieben langen Tag nichts anderes zu tun haben, als anderen die Luft rauszulassen aus ihrer Freude, ihren Unternehmungen, ihren Erzählungen. Weil der eigene Sud so bitter schmeckt, sie sich irgendwie mies fühlen in ihrem Leben und die anderen es scheinbar so viel besser haben - und auch, weil sie so gerne richtig doll wichtig wären, nehme ich an.

Ich sehe da übrigens gewisse Zusammenhänge, vielleicht ist es einfach intergalaktisch gesehen ganz richtig so, wenn sich jemand eher mies mit sich fühlt, der ständig Mieses über andere denkt/redet. Whatever.

Was den Blogeintrag von heute angeht, der wurde durch diesen ersetzt. Man hat einfach nicht immer Lust darauf, sich nicht aussuchen zu können, mit wem man die eigenen Erzählungen teilt.

10 Kommentare I’ve got that thinking feeling

  1. Avatar Dhania 04.03.2006 um 15:57 Uhr

    Die ewigen Neider sollten sich einmal bewusst machen, was es bedeuten würde, wenn sie ihr Leben durch das ganze Leben der beneideten Person austauschen müssten, und nicht nur die Rosinen daraus picken könnten. Ich glaube, dann würden plötzlich wieder viele zufrieden mit ihrer eigenen Situation sein!

  2. Avatar Ralf 04.03.2006 um 19:55 Uhr

    Sie (die Leser) lesen es (das Blog) um sich drüber ärgern zu können und anschließend einem auch noch die Schuld in die Schuhe zu schieben das man ihnen den Tag versaut hat.

    Den Satz hab ich geklaut und mit den Klammern aufs Blog gemünzt. Aber er passt auch irgendwie. Verstehen kann ich es nicht. Auch wenn ich es, nicht nur vom Bloggen her, schon seit langem kenne.

  3. Avatar melody 05.03.2006 um 01:21 Uhr

    Sumu: Klar, ich kann mir auch anderswo ein weiteres Blog machen (hab ich ja), aber das ist nicht das Problem. Mir fehlt, wie vielen die es noch anders kannten, die Freiheit ohne den Hype drumherum.

    Christian: Ein kleines Glück, ein bisschen Privatparadies und mitten im Aufschreiben die Gewissheit, dass ich keinerlei Lust dazu habe, mir dazu vollinhaltlich irgendwas anzuhören, das vielleicht nicht passt. Danke dir. Du weißt schon.

    Dhania: Keine Ahnung. Über die Schwierigkeiten schreibt man nicht mehr, wenn man dann verhöhnt wird, man solle nicht so jammern. Das zumindest wirkt zuverlässig.

    Chikatze: Knebeln, vielleicht. Gibt es eigentlich auch Dinge, die durch einen Hype besser geworden sind? Oder wird grundsätzlich alles preiswerter, breitflächiger und mit B-Promis bestückt, was Aufmerksamkeit erregt?

    Ralf: Stimmt, nicht nur vom Bloggen her. Wahrscheinlich ist es auf eine verdrehte Art und Weise sogar ein gutes Zeichen, dass man nicht völlig abstumpft und je nach Tagesform noch ‘getroffen’ werden kann dadurch. Grundsätzlich über allem stehen scheint mir nicht erstrebenswert. Wäre aber einfacher.

  4. Avatar Etosha 06.03.2006 um 10:17 Uhr

    Manche Menschen fühlen sich eben nur dann besser, wenn sie einen anderen so richtig runtergemacht haben. Denn nur wenn dieser andere in ihrer Welt endlich _unter_ ihnen steht, nur dann können sie sich halbwegs wie ‘jemand’ fühlen, anstatt normalerweise wie ‘niemand’. Da wär’s einem doch auch lieber, wenn diese Menschen öfter mal einfach nur jammern würden… aber durch dreckige Kanäle kommt eben kein sauberes Wasser.

    Schade, dass Du Dich davon eingrenzen lässt, aber für mich durchaus nachvollziehbar.

  5. Avatar Petra 06.03.2006 um 10:48 Uhr

    Ja, schade, dass einem manche Leute alles vermiesen müsssen, nur um sich selbst besser zu fühlen. Das erinnert mich immer an diese kleinen Feldherren: Zu kurz um selbstbewusst zu sein, und deshalb andere unterdrücken.

    Vermutlich straft man diese Miesblogger am besten durch Nichtachtung, aber die Nerven für solchen Quatsch hat man halt nicht immer. Dafür sind wir noch lebendige, nicht abgestumpfte Menschen.

    Und auch ich habe beobachtet, dass ich mir inzwischen genauer überlege ob ich etwas schreibe, und wie ich es rüberbringe. Obwohl sich die Nerver bei mir zum Glück noch in Grenzen halten.

    Hauptsache, es war etwas Nettes, was du uns eigentlich erzählen wolltest!  😊

  6. Avatar Conny 10.03.2006 um 03:05 Uhr

    ...und genau aus diesem Grund, weil ich mir doch gerne ausuchen mag, wer bei mir liest, werden ab sofort sehr private Einträge mit Passwort versehen. Weblog schreiben macht eindeutig nicht mehr so viel Spaß wie in den Anfangsjahren, weil immer wieder Dumpfbacken meinen, ihre miese Laune und ihre Unzufriedenheit an Menschen ablassen zu müssen, die für ihre Misere nix können.

    Conny

    PS: Einfach nur genial, Deine Katzen. Meine würden sich nie in solch kleine Behältnisse legen. Die beiden machen sich immer diiiick und feeeett genau an der Stelle, wo sich eigentlich gerade ein Mensch niederlassen möchte. Ich glaube, ich geh morgen mal ins Möbelhaus, Schüsseln kaufen. Einen Versuch ist es wert…:o))

  7. Avatar manahmana 10.03.2006 um 15:14 Uhr

    da ich nicht blogge, im eigentlichen sinne, sondern eher meinen daily terror mit Gedanken und Geschehnissen fülle - ohne das jemand kommentieren kann (gästebuch evtl. aber eben kein ausgewiesenes kommentarfeld), muss ich mich nicht wirklich damit auseinandersetzen was ich schreiben will und was ich werde. Aber ich gestehe zb. gestern einen Eintrag editiert zu haben, weil mir im nachhinein bewusst geworden ist, das mindestestens zwei menschen sich danach ziemliche sorgen um mich machen würden und das wollte ich irgendwie nicht. Ich wollte mich mitteilen aber ich wollte nicht das jemand anderes darunter leiden muss bzw. sich Gedanken macht. Insofern kann ich dich sehr gut verstehen. Und hoffe für diejenigen die neidbesoffen sind (ist wohl jeder ab und zu 😊), das sie erkennen, das jemandem etwas neiden ihr leben dann noch lange nicht besser macht…

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