Hier die versprochene Abschrift - tätäää - des Interviews mit Christiane für INTERNET AKTUELL 3/97,
WEB-LADY EROBERT DAS INTERNET
Interview mit der Internet-Autorin Carola Heine.
Carola Heine, 30, Autorin von “Liebe auf den ersten Klick”, machte Furore mit ihrer Webseite, Die einzig wahre offizielle deutsche Emanzen-Homepage (http://www.melody.de/emanze ) Internet Aktuell unterhielt sich mit der quirligen Weblady
- IA: Mit knapp sieben Prozent sind weibliche Surfer im Internet eher noch eine Randerscheinung. Wie schätzen Sie die Chance der Frauen in der Informationsgesellschaft ein?
- Carola Heine: Meine Hoffnung ist, dass immer mehr Frauen die anerzogene Scheu vor der Technik verlieren. Es wäre wunderbar, wenn Frauen und Männer in dieser neuen Welt die gleichen Chancen hätten. Aber natürlich ist es nicht so. Eine Frau muss immer mehr leisten als ein Mann, um trotzdem weniger zu erreichen. Wie in allen Lebensbereichen bieten sich auch im Internet für engagierte Einzelkämpferinnen und kreative Teamworkerinnen viele Möglichkeiten.
- IAAls Einzelkämpferin in den eigenen vier Wänden?
- Carola Heine: Einige Frauen, die aufgrund familiärer Verpflichtungen sonst nicht arbeiten könnten, bleiben über Telearbeit “im Geschäft”. Ob frau gut arbeiten kann, wenn sie die sozialen Kontakte des Büro-Umfeldes verliert, der heimischen Geräuschkulisse ausgesetzt ist und gleichzeitig den Haushalt versorgen muss, weiss ich nicht. Das kommt auch auf die private Zusammenarbeit mit dem Partner an.
- IA: Welche Erfahrungen haben Sie mit ihrer eigenen Homepage gemacht?
- Carola Heine: Als ich anfing, meine Homepage zu basteln, hagelte es wohlmeinende Ratschläge von Männern. Innerlich habe ich darüber lachen müssen, wie schnell diese Bekannten verstummten, als sie die Entwicklung meiner Web-Projekte beobachteten. Es ist nett, wenn jemand hilfsbereit ist. Ich bezweifele aber, dass die Jungs ihre Geschlechtsgenossen genauso väterlich mit Tips überschüttet hätten. Die meisten Männer trauen es einer Frau nicht zu, sich im Web alleine zurechtzufinden und eine Homepage zu programmieren. Deshalb trauen viele Frauen es sich leider auch selbst nicht zu.
- IA: Wie kann das Internet das Leben der Frauen verändern?
- Carola Heine: Eine vernetzte Welt wird es irgendwann sowieso geben. Aber ob das dann noch das Internet ist? Die Entwicklung ist so rasant, dass niemand vorhersagen kann, ob ein Zusammenbruch oder eine komplette Integration erfolgt und in welchen Zeiträumen sich die Entwicklungsschritte abspielen. Viele Menschen, die vorher aus verschiedensten Gründen auf den Wohnraum beschränkt waren, können über das Internet in die Welt der Kommunikation eintauchen.
- IA: Wie soll das aussehen?
- Carola Heine: Beispiel: Um 0.00 Uhr am Neujahrstag habe ich in zwei Online-Chats gleichzeitig mit mehreren Frauen auf 1997 angestossen. Ich konnte nicht ausgehen, weil ich einen verletzten Fuss hatte. Eine Freundin passte auf ihren Hund auf, wegen der Feuerwerkskörper. Eine Bekannte konnte nicht aus dem Haus, da sie ihre Mutter pflegte und eine andere Frau musste in der Nähe ihrer Kleinkinder bleiben. Eine Chatterin sass im Rollstuhl… Alles Frauen, die lieber ausgegangen wären. Wir haben uns prächtig amüsiert und die im Hintergrund vorhandenen Männer links liegengelassen. Ein virtuelles Korkenknallen ist zwar nicht so schön wie ein echtes, aber wesentlich besser als das deutsche Fernsehprogramm.
- IA: Ist für Sie ein Chat-Raum schon Öffentlichkeit?
- Carola Heine: Einen kleinen Chat-Raum würde ich noch nicht als öffentlich bezeichnen, denn jeder Teilnehmer und die Zaungäste sind sichtbar und der Rahmen ist überschaubar. Als “öffentlich” würde ich eher ein Forum bezeichnen, in dem Beiträge wochen- oder monatelang stehenbleiben können und wo man beobachten kann, wie Freundschaften oder Flirts entstehen oder richtiger “Zoff”. Das wohl wichtigste Phänomen ist hier der PC-Cowboy, ein Mensch, der sich in seinen eigenen vier Wänden befindet und der Ansicht ist, das Geschehen auf seinem Bildschirm kontrollieren zu können, obwohl es in Wirklichkeit im Web stattfindet. Da werden Dinge gesagt und getan, die im tatsächlichen Leben niemals stattfinden würden.
Wer sich in einem Forum Feinde macht, muss mit Hetztiraden, E-Mail-Lawinen, übler Nachrede und Drohungen rechnen. Mir ist das bereits passiert, jemand war mir verbal nicht gewachsen und wollte sich dann dafür rächen. Das ging bis zu Morddrohungen per Post. - IA: Wie können Frauen das Internet verändern?
- Carola Heine: Indem sie bleiben, wie sie sind und sich die neuen Möglichkeiten zunutze machen. Nach und nach werden immer mehr Frauen in den Netzen auftauchen. Nie zuvor war es möglich, dass eine Privatperson mit Einsatz von wenig Zeit und Geld ähnliche oder grössere Aufmerksamkeit für sein privates Projekt erregen konnte als ein grosser Konzern, der Zehntausende für seine Webpräsenz ausgegeben hat. Wenn Frauen diese Chance für sich nutzen, werden sie sich ihren Platz im Netz erobern und ihre eigenen Schwerpunkte setzen. Es gibt phantastische Seiten von und für Frauen und es werden immer mehr.
- IA: Wie erklären Sie sich den niedrigen Frauenanteil im Internet, welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um dies zu ändern?
- Carola Heine: Solange in mathematischen und technischen Bereichen selbst von weiblichen Lehrkräften vorrangig die männlichen Schüler motiviert werden und von den Mädchen kein Interesse am Computer erwartet, geschweige denn gefördert wird, schreitet die Entwicklung nur sehr langsam fort. Solange Frauen am Computer vorrangig Sekretariatsarbeiten erledigen und durch falsche Fürsorglichkeit davon abgehalten werden, sich Computerwissen anzueignen, wird der Frauenanteil nie die 50%-Marke erreichen. Die Hemmschwelle in den Köpfen ist gigantisch.
- IA: Warum Hemmschwelle?
- Carola Heine: Gerade heute hatte ich eine Bekannte hier, die ehrfürchtig von “Ihr” und “Euch” sprach, wenn sie Computer-Anwender meinte. In solch schweren Fällen hilft nur eine Schocktherapie: Maus in die Hand drücken und im Web alleine lassen mit der energischen Versicherung, sie könne nichts kaputtmachen, solange sie den Computer nicht vom Tisch stösst. Nun möchte sie wissen, wann wir für sie einen Computer kaufen….
Es ist sicher eine gute Lösung, Frauen und Mädchen die neuen Technologien ungestört von dominierenden Männern zu zeigen. Wie einfach es wirklich ist, sich in den Online-Diensten und im Web zu bewegen, ahnen die wenigsten. Doch diese Einstellung ändert sich langsam: Es gibt bereits einige klassische Frauenzeitschriften, die über Chats und Email sprechen oder eine eigene Homepage haben wie beispielsweise ALLEGRA (http://www.allegra.de) - IA: Mit Ihrem Buch “Liebe auf den ersten Klick” wollen Sie den Frauen die Angst vor “Ungeheuer Technik” nehmen?
- Carola Heine: Eigentlich ist mein Buch eine Einführung für Online-Anfänger: Die Bedienung und Mentalität von Chat, Foren und Mail wird erklärt. Die männlichen Vertriebsmitarbeiter von ECON lehnten ein computer-relevantes Buch-Cover ab. Sie bestanden stattdessen auf einem sogenannten Frauen-Cover, das dem Verkauf förderlicher sei. Doch es wurde kein Cover für Frauen, sondern eins mit einer lachenden Frau. Wahrscheinlich soll ich dankbar sein, dass sie fast angezogen ist und auch sonst nicht aussieht wie Barbie….
Das Interview führte Christiane Schulzki-Haddouti.
Carola Heine: “Liebe auf den ersten Klick”, ECON, April 1997, DM 14,90, ca. 300 Seiten, ISBN 3-612-27308-6
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