Ein Vierteljahrhundert lang kenne ich ihn jetzt schon. Er war 10 und ich 15, als wir uns zum ersten Mal trafen und es dauerte noch gut zehn Jahre, bis wir gesprächstechnisch etwas miteinander anfangen konnten. Seitdem verstehen wir uns gut. Selten, aber bestens, lautet stets die Erwiderung auf Schönvondirzuhören.
Nun erzählt er beiläufig, dass nun der Punkt Familiengründung für ihn allmählich mal erreicht sei, das Haus sei gekauft und nun könne es bald losgehen, sie habe eh keine Lust mehr auf ihren Job. Ein Glück, dass er das so beiläufig erzählt, denn so kann ich nach dem Haus und der Einrichtung fragen, als mir klar wird, dass ich keine Ahnung habe, wie seine aktuelle Herzensdame heißt. Unklar ist sowieso, ob ich mir das merken könnte.
Seine Frauen der letzten 15 Jahre, vier bis fünf waren es mindestens, sind in meinem Kopf ein einziger Brei, all die attraktiven nicht zu großen nicht zu kleinen nicht zu dicken nicht viel zu dünnen blondierten, kunstgelockten oder pagenbekopften Einheitsdamen, die sich vor allem durch ihre überaus gute Meinung von sich selbst auszeichneten und sich folgerichtig auch darin nicht wirklich unterschieden. Auch optisch kamen sie aus dem gleichen Regal. Ob die eine die süße Jeansmaus gab und die nächste den business-mädchenhaften Bürokleidchen-Look zelebrierte, machte nicht so den Unterschied, es waren eben ‘ganz normale’ Mädchen oder junge Frauen. Nix mit Krallen oder Zähnen, höchstens mit Zicken und Zetern. Jeder Ehrgeizhase in jeder einzelnen Show im Fernsehen von Dating bis Popruhm sieht so aus, vermutlich sind sie also halbwegs hübsch, nur dass mir eben ganz andere Frauen imponieren. Es war aber nicht meine Partnerschaft, sondern seine, und er entschied sich immer wieder für ein ähnliches Modell oder so wirkte es auf mich.
Und sobald die Beziehung stolperte und umfiel, zeigte sich dann auch jedes Mal, wie austauschbar sie war, die Frau. Von außen betrachtet (vielleicht auch nur aus meiner Sicht, das mag sein).
Von »innen« war und ist es natürlich Liebe, die ganz normale Sorte eventuell, eine Beziehung, wie man sie eben hat. Ist sie vorbei, hat man die Nächste. Wenn ein Mann entweder gut aussieht, Geld hat oder beides, muss er sich da nicht auf irgendwelche ergründbaren Tiefen festlegen. Ebenso wie ein durchschnittlich hübsches oder hübscheres Mädel, die keine Bedrohung gleich welcher Art darstellt und trotzdem ein paar Interessen hat, dann passt das schon.
So sieht es zumindest aus. Von außen. Vielleicht ist das alles aber auch wirklich so lächerlich einfach, dass es nahezu bedeutungslos auf mich wirkt. Wirklich ganz simpel nur einfach, für die anderen oder für viele von ihnen.
Für die Zukunftspläne habe ich viel, viel Glück gewünscht und meine das auch so. Ich muss ja nicht alles verstehen und wenn sie glücklich sind zusammen, ist doch alles wunderbar. Das Erstaunen aber bleibt.
Für mich ist es sehr verwirrend, wie die Liebe fürs Leben in dem einen Jahr eine Moni und ein Jahr später eine osteuropäische Schönheit und drei Jahre später eine Sabrina sein kann, die sich alle ähneln, die alle den gleichen Zweck erfüllen, eine verwandte Optik mitbringen, das gleiche Ziel haben und jederzeit ersetzt werden könnten, wenn unüberbrückbare Differenzen auftauchen. Trennung, kurzes Geschimpfe, Wochen oder Monate darauf stolze Präsentation Nachfolgemodell, gerne ‘meine Süße’ genannt, übergangslos weiter im Programm.
Was immer das Programm sein mag.
Das passt sehr schön zum akuellen Titelthema des Berliner Stadtmagazins ZITTY: In dem Artikel geht es darum, dass Liebe (besonders in Berlin, besonders bei den Mittdreißigern) zu einer Art Projekt mutiert ist. Wo Menschen, die in einer guten Beziehung leben, sagen, ja , es ist schön, aber wie lange? Ich geh für ein Jahr nach Kathmandu und er studiert demnächst in Brasilien. Oder so. Der nächste kommt dann schon irgendwann. Oder nicht, aber allein leben und tun was man will, ist ja auch ganz nett.
Klar, hin und wieder stimmt das ja auch, aber alles in allem passe ich nicht wirklich in eine Welt, in der Liebe ein Projekt ist, und die Partner austauschbar. Da bin ich nun wirklich spießig. Und hätte mein Liebster vor zwanzig Jahren im Ruwenzori-Gebirge einen gut bezahlten Job gefunden, dann wäre ich mitgegangen. Umgekehrt übrigens auch.
Und dies ist eines der Dinge, bei denen ich wirklich gerne konservativ bin 😉
P.S: Irgendwie erinnert mich deine Beschreibung an meinen Schwager, nur, dass dieser 45jährige inzwischen bei den austauschbaren Damen das Alter drastisch gesenkt hat. Er ist bei 19 angekommen ...
Wenn es glücklich macht, so überaus flache ... Strukturen zu haben, finde ich das interessant. Ich glaube es zwar nicht, aber da mein eigenes Liebesleben im direkten Vergleich eher eine Achterbahnfahrt ist/war statt diesem Stadtparkspaziergang, den die Projektmenschen da durchziehen, kann ich es auch nicht wirklich beurteilen. Sagen wir es so: Neidisch bin ich nicht gerade - nur erstaunt.
Ein Mann muss ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt, einen Sohn gezeugt und einen Porsche geleast haben. Zum Glück bekommen sich meist die Menschen, die sich verdient haben … 😉