Einmal Entseuchungs-Team bitte

Wer hat BAP in mein Radio getan? SPINNEN DIE? Gebt mir sofort Mändi und die fünf Spacken wieder, ich hab mich schon fast dran gewöhnt. Werde auch niemanden symbolisch kastrieren, hier trägt gar keiner Krawatten (könnte eventuell daran liegen, dass ich freiberuflich von Zuhause aus arbeite, aber wer hinterfragt diese Dinge schon um eine solche Uhrzeit).

Damals direkt nach dem Pleistozän bin ich ja auch einmal in den Karneval gezogen wie Kegelclubs in den Krieg. Man fühlt sich irgendwie verpflichtet, an den närrischen Tagen wenigstens mal zu schauen, wenn man im Rheinland zuwandert. Doris erklärte mir, man müsse sich verkleiden, und Doris musste es wissen, die wohnte in Köln. Andere Kolleginnen erklärten mir dann bereitwillig die Projektplanung für ihre Kostüme und ich begriff schnell, dass die fünfte Jahreszeit für die meisten dieser Damen einfach nur bedeutete, sich als mehr oder weniger erfolglose Prostituierte zu kostümieren und so lange so viel zu trinken, bis selbst der Ausschuss aus der Beamtenliga Clooney-esk anmutete. Den Rest wollte ich nicht wissen, konnte es mir aber leider denken. Immerhin würde es einfach sein, mit Doris nach kurzer Zeit im Gedränge verloren zu gehen. Aber zunächst musste ich mit.

Doris klebte sich fünf Rollen Heftpflaster in Einzelstückchen auf einen schwarzen Fusselrock und malte sich eine Spinne ins Gesicht. Dann war sie erst mal beleidigt, weil ich sie nicht als DIE kleine Hexe erkannt hatte. Ich wurde karnevalspädagogisch ermutigend gelobt für den fließenden dunkelblutroten Seidenanzug, mit dem ich mich in ein Geschöpf der Nacht verwandelt hatte. War zwar kein Kostüm, sondern in solchen meist in London gekauften “exotischen” Klamotten war ich an den Wochenenden damals nachts unterwegs - ohne Fremde in den Hals zu beißen, versteht sich. Aber tägliche rote Schaumstoffnasen wären auf mehr Verständnis getroffen, also erläuterte ich das gar nicht erst. Alles bemalte und schminkte sich. Das erste Tablett mit Bier ging zu Boden und alle rochen wenigstens um die Schuhe herum nach großer Party.

Bis dahin war es noch ganz lustig. Aber dann verliessen wir das Haus und fuhren in die Innenstadt. Es war 11 Uhr am Donnerstag und niemand hatte mich so richtig gewarnt.

Es mag ja Leute geben, die sich gerne durch besoffene Menschenmassen wühlen. Ich nicht. Vielleicht schaut sich ja jemand gerne das Grauen entfesselter Karnevalskultur aus nächster Nähe an. Ich nicht. Eventuell schunkelt ja auch irgendwer freiwillig. Ich nicht.

Und auch wenn ich mir sehr sicher bin, dass es Frauen gibt, die nichts dagegen haben, in der Düsseldorfer Altstadt von irgendwelchem Gesocks zwischen die Beine gegriffen zu werden - ich nicht. Nachdem ich also den ersten Kinnhaken meines Lebens verteilt hatte und das eigentlich eine sehr zufriedenstellende Erfahrung fand (zumindest sehr viel befriedigender als die klassische mädchenhafte Reaktion auf solche Zudringlichkeiten), suchte ich mir eine Kneipe, in der die Musik halbwegs auszuhalten war und tanzte bis zum nächsten Morgen. Eigentlich größtenteils deswegen, weil man gar nicht mehr rauskam, wenn man erst mal drin war.

Das war’s. Mehr muss ich nicht wissen. Nie wieder. Tättäää, tättäää, tättäää. Und es hilft auch gar nichts, dass das Radio jetzt sehr darum bemüht ist, mich wenigstens mit der Maffayschen Deflorations-Hymne zum Lachen zu bringen.

Denn es war Sommer. Er war 16 und sie einunddreißig, und über Liebe wusste er nicht viel.

4 Kommentare Einmal Entseuchungs-Team bitte

  1. Avatar Angel 19.02.2004 um 11:31 Uhr

    ‘Ich nicht.’

    Eben.

    Ich hab noch nicht mal soviel wie das was du beschreibst Fasching mitgemacht. Naja, ich wohn in Bayern, das ist das Ganze wahrscheinlich nicht so ausgeprägt.

  2. Avatar Detlef 19.02.2004 um 14:25 Uhr

    Klasse! Diese Fröhlichkeit, die im Alkohol ertränkt werden muss ist auch nicht unbedingt meins. Zu viel Zeremonien, Uniformen, Elferräte, die eher an Amigo-Räte erinnern, grauenhafte Büttenreden von 3-klassigen Politikeren, bei denen man sich wundert, dass die Kapelle noch ahnt, wann sie einen Tusch einspielen muss… auch für mich genug Tätää.

    Aber als wir noch 16 waren, da gingen wir noch zum Fasching, um zu Tanzen und Spaß zu haben ;o)

  3. Avatar Martina 19.02.2004 um 14:45 Uhr

    Och, in jungen Jahren bin ich in Köln und München gern auf den Fasching gegangen. (Übrigens nicht als “mehr oder weniger erfolglose Prostituierte” verkleidet, passte irgendwie so gar nicht zu mir.)

    Damals ging es wirklich vorwiegend um das sich vergnügen, also: viel flirten, viel, viel tanzen, kein abschleppen, kein sich besaufen.

    Klasse wars, Spass hats gemacht.

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