Nachdem eine angemessene Frist verstrichen ist und ich ausreichend Gelegenheit hatte, die niederschmetternde Erfahrung zu verarbeiten, bleibt mir nichts anderes übrig als mir selbst einzugestehen: Meine Weihnachtsplätzchen im letzten Jahr waren ganz furchtbar.
Viele Jahre lang habe ich jeweils im November große Butterberge herangeschafft, Hirschhornsalz und frische Gewürze gekauft und ein Dutzend alte Familienrezepte herausgesucht, um tonnenweise schöne goldene Plätzchen verschiedener Geschmacksrichtungen zu backen.
Keine Schokoladenbeschichtung, keine Doppeldecker oder Füllungen oder klebrige Marmelade, sondern Moppen, Kringel, Makronen und Sandtaler. Lauter goldene kleine Kreationen, ein duftender Butterplätzchenberg verließ jedes Jahr das Haus - es wäre ja schön blöd, wenn man Plätzchen backen würde, die man selbst nicht mag.
Genau das habe ich aber letztes Jahr getan. Es ist vielleicht gar nicht wirklich meine Schuld gewesen, denn ich wurde beeinflusst. Vom »Low Fat Virus«, gemischt mit einem Öko-Infekt. Die ganze Zeit redeten alle in meinem Bekanntenkreis und um mich herum nur noch von ‘zuckerfrei’, ‘fettarm’ oder gar ‘fettfrei’, von ‘Vollkorn’ und ‘Honig statt Zucker’ und diese neue Volksseuche zog sich durch jedes Gespräch, das vom Thema Nahrungsmittel auch nur gestreift wurde.
Man bietet jemandem einen Muffin an und bekommt im Gegenzug Ernährungslehre, kein wirklich unterhaltsamer Tausch. Nachdem aber Oliver erfolgreich aufgehört hat zu rauchen und wir uns so frisch und ‘gesund’ wie möglich ernähren möchten, fühlte ich mich nach den ganzen Trendsettern rundherum geradezu verpflichtet und musste unbedingt Plätzchen backen, die nicht nur zuckerfrei bis zuckerarm, sondern auch noch fettarm bis fettfrei waren.
Rezepte gibt es leider reichlich.
Man kann zum Beispiel Rübensirup und Honig statt Zucker verwenden: So lässt sich sehr schön, schnell und komfortabel ein Ersatz für Lego-Bausteine backen. Wer je auf einen Lego-Stein getreten ist, weiß ja, dass es sich dabei um eines der härtesten Materialien in dieser Galaxie handelt. Dummerweise braucht man nur selten unzerstörbare Plätzchen.
Ich übte mich dann zunächst erfolgreich in Verdrängung der Rübenplätzchenziegel und backte tapfer eine Menge verschiedene Anis-Kringel. Die sind völlig fettfrei. Kaum jemand mag sie, aber sie sind eben fettfrei. Man kann übrigens auch tonnenweise Amarettini-Kekse zerbröseln und mit aufgedroschenem Eiweiß vermischen, um sie dann auf Oblaten zu tropfen und diese Matschberge dann im Ofen zu trocknen, aber wir wollen doch mal ehrlich sein, dann kann man auch gleich die Amarettini-Kekse pur essen, das schmeckt besser und die Küche klebt nicht so. Wenn man es trotzdem tut, sollte man sich übrigens eher kleine Oblaten kaufen und nicht die fast faustgroßen, aber das ist nur eine Bemerkung, die mir eher zufällig gerade so einfällt.
Während ich also kopfüber in die Welt der fettbefreiten Weihnachtsplätzchen einstieg, saß in Bayern Melle ( » www.melle-teich.de) und buk duftige Lebkuchen, Schokoladenhäufchen, Mandelkekse und saftige Plätzchen mit weißer Schokolade, ein Angebot wie aus dem Schaufenster einer Konditorei. Schlimmer noch, sie schickte uns welche.
Aber erst, nachdem ich meine eigenen unter Aufbietung schier übermenschlicher Verdrängung längst verschickt hatte, sie also schon weg waren und nichts und niemand sie zurückholen konnte. Falls jemand noch nicht wusste, dass man sich als Rübenkeks-Newcomer an einem Weihnachtsplätzchen eine Zahnkrone aushebeln kann, ich könnte diese Wissenslücke durch Detailinformationen beheben, die mich per E-Mail erreichten. Ich will aber nicht.
So war das und nicht anders mit den Weihnachtsplätzchen vom letzten Jahr.
Und warum der ganze Text? Weil die Chronistin vorgeschlagen hat, dass ich in der ExpressionEngine das Feature nutze, mit dem man die alte URL-Struktur nachbauen kann.
Das geht aber leider nicht. Denn ich habe in der ‘alten’ pMachine eine speziell von Oliver programmierte Lösung gefahren, um »sprechende URLs« zu haben, lange bevor die Software mir das bieten konnte. Das lässt sich nicht so ohne weiteres importieren … und daher gehen nun alle Links in allen Blogs aus all den Jahren, also alle “incoming” Links, die auf Moving-Target.de zeigen ... ins Leere. Schlimmer noch, das wird bei allen anderen Blogs meiner Site dann auch so sein, wenn ich sie denn nach und nach in dieses System umziehe.
Ich weiß ja auch nicht. Vielleicht hatte ich gehofft, das merkt keiner. Oder alle sind zu höflich, um was zu sagen.
So wie bei den Plätzchen.
Pfeif auf die Plätzchen. Du kannst schreiben. Das finde ich viel wichtiger. Und unterhaltsamer.
Und ob mit Fett oder ohne - zunehmen tu ich vom Lesen auch nicht. 😊
War das so wie in der Szene von Charlies Angels, als Drew Barrymore Lucy Lius “Chinesische Kampfmuffins” in die Türfüllung gedengelt hat?
Im übrigen kann man so ziemlich alles in Rum einweichen…;-)
Übrigens, die angezeigten Kommentarzeiten sind komisch, es ist jetzt genau 4:23 Uhr und meine Rechnerticke geht auf die Fünfzigstel Sekunde genau. Nur mal so…
Wie gut, dass die Plätzchen nichts geworden sind, sonst wäre uns dieser schöne Text entgangen. 😉
😊
“Du bist nicht allein…”*träller* 😉
Ich kann das alles ganz wunderbar verstehen und glaube Low Fat-Phasen gehören einfach in die Kategorie “Jugendsünden”, so wie Dauerwellen, rot gefärbtes Haar und Schulterpolster.
Nachdem ich vor einigen Jahren diverse Gummikuchen und geschmacklose Schnorcheldesserts produziert habe und danach der Haussegen schief hing, schlummerten die grossartigen Kochbücher ungenutzt im Regal. Erst Buchticket machte es möglich diesen Krampf in wunderbar entspannende Romane umzutauschen. Hehe. Sie fanden reissenden Absatz und so schliesst sich dann der Kreis.
Herzliche Grüsse von Frau G., die nur gute Butter und leckeren, feinstgemahlenen Rohrrohzucker zu sich nimmt, nieder mit den Ersatzprodukten.
ich erinnere mich da an ganz schreckliche vollkornplätzchen mit roterübenglasur, die meine mutter in den 70ern oder frühen 80ern gebacken hat. in dieser zeit habe ich eine weihnachtsplätzchen-phobie entwickelt, die inzwischen dank angenehmerer vertreter dieser nahrungsgattung weitgehend überwunden ist.
danke für diesen sehr erheiternden text. 😊
Hehe, dazu hatte ich ein epiphanisches Erlebnis, glücklichweise in früher Jugend:
In meiner ersten großen Backphase, ich war etwa 16 und lebte bei meinen Eltern, hatte ich mal wieder ein Blech Rhabarberkuchen mit Quarkguss gebacken. Nachts kam ich vom Feiern heim und sah, dass in der Küche ein Stück davon auf einem Teller lag. Weil ich eh Hunger hatte, holte ich mir eine Gabel, machte mich darüber her - und erschrak: Der Kuchen schmeckte furchtbar. Als ich mich am nächsten Tag bei meiner Mutter für mein unerklärliches Missgeschick entschuldigte, brach sie in Gelächter aus: Die Öko-Nachbarin hatte sich das Rezept geholt, den Kuchen gesund nachgebacken (u.a. mit Vollkornmehl, Honig statt Zucker, sonstige Auswechslungen will ich gar nicht wissen), und ein Stück zum Probieren vorbei gebracht. An das ich nachts unversehens geraten war. Seither: Entweder lecker Kuchen, Torten und Plätzchen - oder fettarm und zuckerfrei. Beides zusammen geht nicht.