Eine Sache muss ich dringendst mal beanstanden.

Ganz groß in Mode und es wird immer schlimmer: Ins Diary / Weblog schniefen, wenn es einem schlecht geht. Also nichts Konkretes wie “der Sowieso hat meinen Link kommentarlos entfernt, nur weil ihm mein Comment nicht passte, wääh”. Sondern immer ein sehr unkonkretes Äussern einer schlimmen Verfassung. Aber gleich auf die Vollen gehauen, also das ganze Vor- und Hauptwaschprogramm von Seelenkälte in einer feindlichen und einsamen Welt bis hin zum bodenlosen Abgrund schwärzester Verzweiflung. Immer druff und noch mal druff und existenzielles Wehklagen in allen Facetten von sich schmeissen - und das meistens wegen irgendeinem Alltagsfurz oder einer vorübergehend schlechten Stimmung.

Leute, Leute ... wisst Ihr eigentlich, was Ihr da tut? Lauter körperlich unversehrte, fett zugefressene und wohlversorgte Leute am Rande der Verzweiflung, was ist denn, wenn jemand wirklich Hilfe braucht? Ja, ich weiß. Jemand, der wirklich an einer Grenze steht, hat für diese Art der Selbstdarstellung keinen Atem und das Letzte, woran ein Mensch ohne Ausweg denkt, ist das verdammte Schreiben in eine Privatkolumne.

Genau: Das Thema beschäftigt mich. Auch offline bin ich auf eine Person getroffen, die sich so benimmt. Demonstrative Riesenverzweiflung im direkten Andrang finde ich belastend und unverständlich und da ich das Glück habe, viele Fachmenschen zu kennen, habe ich mich schon mehrfach danach erkundigt, wie so eine Sache von denen eingeschätzt wird. Eine Freundin von mir, eine clevere und - das ist noch wichtiger - lebensnahe Psychologin, hat es mir in wenigen Worten erklärt: Was Besonderes sein, das wollen diese dramatischen Darsteller. Unbedingt. Ein ganz besonderer Mensch. So wie es alle sein wollen, aber eben mit diesen unguten Mitteln. Sie haben irgendwann gelernt, dass sie die gewünschte Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie nur laut und lange genug wehklagen. Mit einer angemessenen Steigerung, versteht sich, denn sonst verpufft die Wirkung.

Auf solche Töpfe passt immer auch ein Deckelchen, sprich: Ein Mensch, der sich darauf einlässt, Verständnis signalisiert und zuhört. Im Internet sind das wahrscheinlich eine Menge Leute. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass so ein Benehmen eigentlich sehr abstossend und egoistisch ist und im offline Alltag dazu führt, dass man zum isolierten Einzelgänger wird. Wer tut sich schon freiwillig ständig so eine Heulboje an? Die verständnisvollen “Deckelchen” sind auch nicht wirklich hilfreich. Denn es kommt noch eines dazu: Es geht nicht darum, die Situation zu ändern oder zu verbessern. Gar nicht. Diese Menschen werden teilweise sogar hochgradig aggressiv, wenn man ihnen mit umsetzbaren Vorschlägen kommt. Denn wenn dieser Knoten sich löst, dann ist man ja kein “ganz besonderer” und aufmerksamkeitsbedürftiger Mensch mehr, sondern ein Normalverbraucher (körperlich unversehrt, fett zugefressen, wohlversorgt ... wir hatten das ja schon).

Meine Freundin, die Expertin, sagt klipp und klar: Diesem einen besagten Mädel (wegen dem ich gefragt hatte) kann ich nicht helfen. Es sei kein Wunder, dass sämtliche Gespräche in seelendurchweichtem Rumgelaber versinken, sondern ganz klar kalkulierte Absicht. Wer in wirklich tiefer seelischer Not sei, habe genug Leidensdruck, um etwas zu ändern. Einen Therapeuten aufzusuchen, andere Wege zu gehen. Wer stehenbleibt und sich laut wehklagend und konstant um Aufmerksamkeit heischend im Kreis dreht, ist genau da, wo er oder sie insgeheim sein will. Punkt.

Dazu sag ich nur noch: Dann aber bitte ohne mich.

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