Von oben herab

Im dritten Stock entwickelt man eine gewisse Ruhe gegenüber Sturmklinglern an der Tür. Die ersten Wochen bin ich noch geflitzt, sobald es klingelte. Bis ich begriff, dass es sich in Windeseile unter allen Prospektausteilern, Brief- und Paketboten herumgesprochen hatte, dass jetzt jemand zuhause arbeitet in diesem Haus und man sich stets öffnen lassen kann. Es klingelt also, ich öffne die Tür und horche in den Flur. Ganz unten bollert die Tür auf, ich rufe “Hallo?” und bekomme ein undefinierbares Schreigrunzen zur Antwort. Klingt es so, als hätte jemand von Werbebroschüren geblökt und die Eingangstür geht sofort darauf ein zweites Mal, lasse ich es auf sich beruhen.

Antwortet jedoch niemand, bin ich sehr schnell unten und schaue nach. Klingelt es einmal und ganz normal, gehe ich dem Paketboten mindestens ein Stockwerk entgegen, das mag ich, tut auch dem Bein gut. Dann gibt es aber noch die nervösen Sturmklingler, die vor unserer Tür unten auflaufen, kurz klingeln und nach satten 1-2 Sekunden ungeduldig werden, weil sie ja schon sooooo lange warten mussten und dann Kalingelkalöngelkaklöng mit hysterischem Rumgebimmele beginnen.

Das Geklönge verlangsamt mich ganz ungemein und verhindert irgendwie auch, dass ich “Hallo” rufe. Sobald das Deppengebömmel erklingt, die Glocke also zigfach ungeduldig angeschlagen wird, wo einmal gereicht hätte, schalte ich auf gemütlichste Zeitlupe um und lausche entspannt dem Genörgel und Geschimpfe des schlecht Erzogenen (es ist immer ein Mann), der bis ganz nach oben poltert. Ich öffne die Tür erst, wenn der Ork sich schon dagegenlehnt.

Dann lächele ich völlig teilnahmslos auf alles, was er außer Beschwerden über den dritten Stock noch so absondert und schaue auf das Eingabe-Pad mit Griffel, als hätte ich noch nie ein Paket erhalten ... es hilft schliesslich niemandem, wenn ich mich auch noch aufrege über Dinge, die weder ein Paketork noch ich ändern können. Meist gucken sie dann eher verwirrt.

6 Kommentare Von oben herab

  1. Avatar Karin 25.01.2007 um 13:14 Uhr

    Ja, diesen Job des “Paketdeppen”, der immer da ist, den habe ich auch, seit Quentin da ist. Am Anfang habe ich ihn auch vom Wickeltisch, noch ohne Hose mit runter geschleift, um dann eine Lieferung Eier für die blöde Nachbarin, die uns andauernd mit der Polizei droht, anzunehmen.

    Die Studenten von oben vergessen dauernd den Schlüssel, aber dafür muss man wenigstens nicht runter. Und die kriegen auch richtig coole Pakete (chiliworld, echte Vinylplatten etc.).

    Naja, aber heute warte ich auf ein richtig eigenes Paket und das kommt und kommt nicht. Und draussen scheint die Sonne und glitzert der Schnee….Naja, mal sehen.

  2. Avatar limone 25.01.2007 um 13:29 Uhr

    LOL, jetzt hätte ich fast meinen kaffee verschüttet…

    ich erinnere mich da an die erdgeschosswohnung in frankfurt, wo die postboten so wenig zeit hatten, dass sie nicht mal abwarten konnten, bis man von der eg-wohnung bis zur tür kam - leider gab es keine gegensprechanlage. irgendwann habe ich kapituliert und blind geöffnet, es war gottlob fast immer der postbote.

  3. Avatar Ute 25.01.2007 um 14:52 Uhr

    Kenne ich noch aus meinen Zeiten mit der Wohnung im Bürohaus. Jeder Affenkopp, der zu einer der Firmen wollte, hat dann außerhalb (und oft auch innerhalb!) der Bürozeiten bei mir geklingelt, statt bei der gewünschten Firma.

    Es hat nicht lange gedauert, da habe ich grundsätzlich erst über die Gegensprechanlage nachgefragt, wer denn da sei und zu wem er wolle. Leuten, die mich für den Türdienst der Nation hielten und gar nicht zu mir wollten, habe ich dann freundlichst klargemacht, daß sich für sie die Tür nicht öffnen wird. Jedenfalls nicht auf meine Veranlassung, denn ich sei es leid, pro Stunde fünfundzwanzigmal als Klingeldepp mißbraucht zu werden.

  4. Avatar melody 25.01.2007 um 15:40 Uhr

    Karin: Hoffentlich ist es inzwischen gekommen 😊

    Liv 😉

    Ute: Die Gegensprechanlage fehlt hier noch, kommt irgendwann.

    Der Paketbote hat mir eben mal wieder grußlos ein Paket von der vierten auf die oberste Treppenstufe geschoben, er ist STINKSAUER, dass wir überhaupt was geliefert kriegen (ähm).

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