Müsli am Morgen bringt Gespräche, nicht Sorgen

Das Frühstücksbuffet in einem Wellness-Hotel ist vergleichbar mit einem Wasserloch, an dem es bei der lebenswichtigen Flüssigkeitszufuhr verschiedenen Gefahren auszuweichen gilt. Wohlgemeinter Kräutertee zum Beispiel, den man angeblich gebucht hat und dem man nur entkommen kann, indem man immer wieder schneller ist und sich ein Kännchen Milchkaffee mixt, dieses dann umklammert und an den eigenen Tisch trägt, um den Tee missmutig anzustarren in der Hoffnung, dass er am nächsten Morgen nicht wiederkehrt. Drei Tage volle Konzentration, und der Spuk bleibt aus. Ich hab es auch mit Reden versucht, aber es ist gar nicht so einfach, etwas abzubestellen, das man scheinbar vorher als gewünscht bestätigt hat. Kräutertee, hm.

Es ist doch Frühling?! Das Frühlingsgetränk ist Milchkaffee, nicht Kräutertee.

Dann gibt es an der Wasserstelle noch ganze Herden von an Gesundheitsthemen interessierten Sozialpädagoginnen und Sekretärin-/Sachbearbeiterinnen, die im Doppelpack auftreten und schon vor dem Frühstück mit Stöcken in den Waldweg stechen, warum auch immer. Mit demonstrativ rosig erhitzten Wangen warten sie nur darauf, zwischen Butter und Brötchen ein Gespräch werfen zu können, vorzugsweise über die Gefahren von Butter und Brot für Leib und Seele. Sie kennen sich aus und unterhalten sich gerne darüber, was man alles nicht essen darf, glücklicherweise auch untereinander, so dass man einfach nur warten muss, bis sie damit anfangen, sich gegenseitig zu bestätigen. Dann nickt man und lächelt und isst trotzdem Butter aufs Brot. Joghurt soll auch schlecht sein – ich habe vergessen oder verdrängt, warum ich kein Obst mit Joghurt mehr essen sollte, es gab einen angeblichen Grund, aber welcher das war ...

Vorbereitend auf eine Massage oder Reiki-Behandlung gibt es dann auch nichts Entspannenderes als den »so halte ich mein Gewicht«-Monolog irgendeiner dürren Person, für deren Optik sich eh niemand interessiert, geschweige denn für ihr Innenleben. Man kann im Sitzen eindösen, kann nichts verpassen und jede Reaktion ist die richtige, weil der Monolog eine Bestätigung in sich ist und so tut man auch noch was Gutes für das monologisierende Wesen, das sich wahrscheinlich für eine bereichernde Person hält. Wenn ihre Freundin dann noch rhythmisch nickt, kann man unter dem gleichmäßigen Geblubber in Gedanken schon mal entspannt den eigenen Tag vorsortieren oder sich überlegen, ob der Lattenrost den Besuch des nachreisenden Gatten überstehen wird und was (diesmal), wenn nicht.

Oder man geht weg und sagt, dass man alleine sitzen will, das geht. Man muss es lernen, aber es geht.

Alleinreisende Ernährungsfundamentalistinnen sind schon etwas schwieriger zu verdauen als die reisenden Freundinnen im Doppelpack und docken auch weit hartnäckiger an. Eine gepflegte rothaarige Dame beobachtete aufmerksam mein Frühstücksritual, das meistens daraus besteht, einen Berg frisches Obst mit einem Klecks Quark mit einem Klecks Joghurt mit einem Klecks Honig und zwei Löffeln frisch geschrotetem Getreide zu krönen, zu verrühren und selig zu verspeisen. Es sei denn, ich habe gerade Lust auf Schinkenbrötchen oder auf ganz was anderes von der Skala zwischen Müsli und Muffin - aber meistens mag ich einfach Obst mit Quark-Joghurt, Honig und Getreide. LECKER. Was ich nicht ahnen konnte: Die Stärke im Getreide verkleistert meine Knochen!

Nachdem sie mich lange genug beobachtete hatte, trieb sie mich in eine Ecke und half mir, die furchtbaren Risiken zu erkennen, mit denen ich leichtfertig jongliere. Die Rote Dame hat mir also erklärt: So lange sie Getreide aß, hatte sie Rückenschmerzen, seit sie aufhörte, nicht mehr und das lag daran, dass die Stärke aus den Körnern die Gelenkzwischenräume verkalken ließ. Ich fragte schafsfromm, wie denn der Stärkekleister aus dem Getreide durch den Verdauungstrakt bis direkt in die Knochenzwischenräume kommt, aber die Antwort lautete nur »das sei doch logisch« und wie ich aus Erfahrung weiß, kommt man gegen diese Art von Religion eh nicht an.

Ich werde also weiter Getreide essen, bis ich Rückenschmerzen kriege, und dann meine Ernährung überdenken oder auch nicht.


Außerdem bitte ich mein Gespöttel ausnahmsweise mal nicht so langweilig ernst zu nehmen - das war ein fantastisches Hotel mit sehr schönem Frühstücksbuffet und das freundliche Personal kann schließlich nichts dafür, dass mich immer irgendwer zutextet, wo ich gehe, stehe oder herumliege.

3 Kommentare Müsli am Morgen bringt Gespräche, nicht Sorgen

  1. Avatar VolkerK 22.03.2005 um 11:58 Uhr

    Wie unterschiedlich Menschen doch sind 😉 Wellness ist bei mir eher Ausschlafen, ein leichtes Frühstück, ein wenig Paddeln im Spreewald, dann Relaxen, Relaxen und nochmal Relaxen - und das alles mit dem geliebten Menschen an der Seite.

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