Morgenstund, oh glory Day

An einem Samstag um 7 Uhr 45 von Olivers Oma angerufen zu werden, um einen Detailbericht des familieninternen Gesundheitswesen zu erhalten ... ist beinahe so toll wie ein Kater in der Umschulungsphase zur Operndiva oder die ungelogen fast 100 Jahre alte Dame mit dem Rasenmäher, die sich zielsicher meine verschlafenen Tage für den weitflächigen Landschaftsgartenbau vor meinem Schlafzimmerfenster aussucht.

Ich hätte ja gerne den Hörer weitergereicht, aber was hätte seine Oma davon gehabt, sich ein Schnaufen und Grunzen anzuhören? Mehr ist um die Tageszeit nicht drin. Aber ich habe keine Klagen, bin sowieso davon wachgeworden, dass jemand rhythmisch und voller Hingabe in den Flur kotzte - ich glaube, ich habe schon mal erwähnt, dass würgende Katzen sich als Espressomaschinen-Imitatoren verstehen - und wenn ich nicht mein Fahrrad über den Haufen gerannt hätte (und mir einen blauen Fleck am Zeh geholt), als ich es wegwischte, wäre das auch sofort wieder vergessen gewesen.

Lautlos auf einem Bein vor mich hin fluchend erfuhr ich dann weiter mit dem Hörer am Ohr, wo in der Nähe von Bremen bei Abwesenheit der Oma die Wolldecken aufzufinden sind: Falls es sich so ergeben sollte, dass wir in den Norden zu Besuch fahren (was wir nicht vorhaben momentan) und dass manche Kater es offensichtlich toll finden, sich in feuchte Waschbecken voller Zeugs und Geschirr usw. zu legen. OK, letzteres erfuhr ich nicht telefonisch. Mein Fahrrad steht übrigens nur deshalb im Flur, weil ich es nach fünf Jahren mal wieder sehen wollte, nein, weil Oliver die Räder in Ordnung bringt - und nicht, weil man uns die Garage gekündigt hätte und wir näher zusammenrücken müssen.

Jedenfalls ist der Sattel jetzt wieder so eingestellt, dass man auch als kleiner Mensch von 1,82 m wieder mit den Füssen auf den Boden kommt, wenn man auf dem Rad sitzt - boah, bin ich das Ding früher in High Heels gefahren?! - und überhaupt ist das ein so schönes Fahrrad, dass es meinetwegen auch im Flur stehen bleiben kann. Bis ich weiß, ob und wie ich fahren kann (Notiz: NACH dem Kurs an der Uni, die haben mich für ein halbwegs gesundes Erscheinen bezahlt). Mein Zeh schwillt langsam wieder ab.

Aus dem Garten dringt das Gequieke von frisch zu schlachtenden Spanferkeln. Seit im Nebenhaus eine Familie mit zwei Kindern wohnt, fragt mein Mann mich allabendlich und während seines Urlaubs auch tagsüber wieder und wieder aufgeschreckt: «Was war das???» und ich erkläre engelsgleich (oder heißt das abgestumpft?) geduldig: Eine 3jährige mit einem halbaufgeblasenen Luftballon, der prima quietscht und das etwa 16 Stunden am Tag. Ein kreischendes Baby, das sich mit dem anderen Baby im anderen Haus synchron einschreit. Ein kleines Mädchen, das mit einem Spielzeughammer oder Stuhlbein auf die Terrassenmöbel einschlägt und das etwa 16 Stunden am Tag. Eine 3jährige eben, die auch einfach mal so vor sich hin quiekt, und das etwa 16 Stunden am Tag. Kreisch quieks rumms hämmer huch quäk brüll sing fiep zack bumm.

Man gewöhnt sich irgendwann dran (hoffe ich - es sind erst vier Wochen). Oliver schaut bei jeder aufklärenden Antwort von mir ungläubig bis verwirrt und fragt beim nächsten durchdringenden Geräusch wieder neu. Das liegt natürlich daran, dass die 16 Stunden fast um sind, wenn er keinen Urlaub hat, sondern erst abends nach Hause kommt. Schlimm ist das auch alles nicht, denn dieses kühle coole kleine Haus ist fantastisch isoliert. Man muss es halt nur wissen: Dass niemand einen Clown gefangen hält und foltert, sondern dass Fräulein B. ihre Schicht angetreten hat. Dann hört man bald gar nicht mehr hin.

Jetzt ist es - anderthalb - Stunden nach dem Weckruf aus dem Norden und ich habe mich immer noch nicht wieder erholt. Ich könnte zurück ins Knäuel kriechen, in den Flur kotzen oder im Garten rumkreischen. Einen beliebigen Clown mit quietschiger Ballonnase gefangen nehmen und 16 Stunden lang foltern. Den Flur auf und ab Rad fahren. Diesen Eintrag hochladen. Erst diesen Eintrag hochladen und dann zurück ins Bett, wo zwischenzeitlich der Wecker gefangengenommen wurde und eins auf die Nase bekam. Warum bin ich eigentlich schon wach? Ach ja. Der Anruf.

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