Ich bin unglücklich. Wirklich. Da rufe ich ...


Ich bin unglücklich. Wirklich. Da rufe ich eine Heilpraktikerin an, die sich mit Stoffwechselstörungen beschäftigt und sie fragt mich im zweiten Satz nach dem Sternzeichen. Was soll man da sagen ausser “Entschuldigen Sie bitte, bei mir hat es an der Tür geklingelt, eventuell!!! melde ich mich morgen wieder.” Oh mann :-(

Natürlich meine ich “och mensch”. Mich würde langsam mal interessieren, was das weibliche Gegenstück zu schwanzgesteuert ist: Klitoralgelenkt? Oder muss man dann das Klischee umdrehen und ein Kopfbild einer berechnenden Haushaltshilfe erschaffen? Muss man überhaupt irgendwas?

Die Suche nach einer Heilpraktikerin scheitert eindeutig an mir selbst. Ich will im Zusammenhang mit meiner Gesundheit weder von Fremden angefasst noch mit Geistheilung belästigt werden. Mein Sternzeichen arbeitet nicht mit meiner Schilddrüse zusammen und mein Aszendent ist Waschbär, da helfen auch Bachblüten nicht - zumindest nicht telefonisch, man sollte sich schon wenigstens sehen, bevor man diagnostiziert. Als chinesisches Feuerpferd möchte ich nichts visualisieren müssen oder ein Seminar belegen, wenn ich eigentlich nur jemanden suche, der sich über die Schulmedizin hinausbewegt. Aber bitte nicht gleich bis ins Reich der Geister und Legenden. Mein Verstand sagt mir, dass es Zeit wird - mein Instinkt wehrt sich gegen die Karawane aus durchgeknallten Spinnern und fürchtet, auch so einen oder so eine zu erwischen.

Es fängt schon damit an, wenn mich jemand angrabbelt, den ich kaum kenne. Und das ist mir halt mit Medizinpeople schon öfters passiert: Da wird mein Arm gezogen oder berührt, eine Hand aufs Knie gelegt, jemand geht um den Stuhl herum und legt mir einen Arm um die Schulter, alles immer schön mit Nachdruck. Fass mich nicht an, ich beisse. Wenn ich mich dann gelassen ausser Reichweite begebe, ernte ich verblüffte Blicke. Nach allem, was ich so beobachten kann, wird so eine Annäherung von den meisten Leuten (Frauen? passiert das eigentlich auch Männern?) irgendwie und höflich ertragen. Überstanden. Hinter sich gebracht. Man will ja was von dem anderen (ihn bezahlen, seine Kundin sein, zum Beispiel ...) und da eckt man ja nicht an. Besser noch, man macht sich klein und bettelt würdelos um das, was man haben möchte: “Herr Schutzmann, ehrlich, sonst parke ich doch nie da und ich musste doch mein kleines krankes Kind zum Notarzt bringen!” (Stilmittel ausreichend bekannt.)

Das ist etwas, das ich bei diesen Frauen nicht verstehe. Weibchenhaftes Augengeklimpere und ein dämlicher Schmollmund, schön süsses Getue zwecks Durchsetzung des eigenen Willens und andere primitive Riten der gesellschaftlichen Unterwerfung und später auch noch damit angeben, wie schön sie doch den doofen Mann um den Finger gewickelt haben. Blärgh. Eigentlich ist es wenig erstaunlich, dass jemand, der auf die Art und Weise kommunizieren muss, sich nicht gegen Tatscherei wehrt.

Und es auch bei anderen Frauen nicht wissen will. In einem Angestelltenjob, aber schon vor ewigen Jahren, da kam einer der älteren Abteilungsleiter immer und patschte mich an. Auf die Schultern, an die Wange, aufs Bein. Ich bin noch nie in meinem Leben so oft aufgestanden, weil mich urplötzlich der Drang nach einer gekachelten Umgebung bekam, ansonsten ignorierte ich ihn, so gut ich konnte. Die Kollegin mir gegenüber hatte die letzten 28 Jahre damit verbracht, abwechselnden Männern nachzulaufen und aus vollen Kräften mit ihnen unglücklich zu sein. Den Rest ihrer Freizeit verbrachte die herzensgute Frau mit der Jagd nach Schuhen, Fingernägeldeko und den Besuchen im Fitnessstudio. Als ich das erste Mal andeutete, Herr X würde mir zu nahe kommen, erntete ich ein völlig perplexes “Aber NIEMALS, der ist doch nur nett! Wie kannst du das nur sagen! Ach was, das bildest du dir ein!”

So schwieg ich stumm, denn ausser dieser Frau kannte ich da niemanden, ich war neu und er ein anerkannter leitender Angestellter. Frau Y bekam wöchentlich zu zwei Terminen den Firmenwagen der Abteilung, um einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Wegen Scheidung Nummer 3 und weil sie kein Geld hatte für ein eigenes Auto. Pünktlich nach Verschwinden des Firmenwagens von seinem angestammten Parkplatz erschien Herr X in meinem Büro und laberte mich dicht. Inhaltlich in etwa “ach, wenn ich Ihre wallenden Haare so sehe, wie schön das wohl ohne Bluse aussehen würde blafasel blasülz.”

Seitdem beschäftigt mich auch die quälende Frage, ob es planetenweit wohl irgendein Weibchen gibt, das mit so einer Masche zu interessieren ist. Und wenn nicht, wieso wird sie dann so oft genutzt?

Es kam, wie es kommen musste: Herr X versuchte dann irgendwann selbst mal nachzusehen, wie meine wunderbaren Schultern und die wallende Mähne wohl ohne Bluse aussehen würden. Ich sah ihn an und schrie. Einfach so. Waaaaaaaa! Es klang garantiert nicht hilflos, aber schön laut. Der Kollege aus dem Nebenzimmer kam angerast und ich zeigte mit dem Finger in die Ecke und sagte “Eine Spinne!” Herr X stand kreidebleich. Muss Arachnophobie gewesen sein. Die beiden Herren suchten alles nach der Spinne ab. Ich arbeitete weiter.

Die Kollegin kam zurück und ich erzählte ihr, was passiert war. “Aber das war nicht so, NIEMALS, der ist doch nur nett! Wie kannst du das nur sagen! Ach was, das bildest du dir ein!” Nun gut. Ich habe angenommen, das Thema sei sowieso erledigt. Zwei Tage später kam Herr X und begann von Blusen und Haaren zu schwafeln und meine Haare von meinen Schultern zu schieben und nach meinem Blusenknopf zu greifen und ich begriff, dass mir das niemand glauben würde, weil ich ein großes starkes Mädchen bin und nicht so ein auf dauerniedlich getrimmtes Baby-Face mit trainierter Piepsstimme und ich stand auf und verpasste Herrn X einen Kinnhaken, dass es schepperte und dann war’s gut.

Wie ich hörte, hat der arme Mann sich am selben Tag noch ganz furchtbar an einer Schrankkante gestossen. Und mich packt keiner mehr an, der keinen guten Grund dafür hat, dafür sorge ich dann wohl.
😉

(Das Einschneidende an dieser Erfahrung war aber nicht der schmierige Typ, sondern dass man mir wiederholt nicht geglaubt hat und es auf eine widerliche Art herunterspielte, was passierte.)

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