Guck mal was da kommt

Es sind Poeten, die den Newsletter der Deutschen Bahn allwöchentlich mit Schönheit und zarten Worten füllen. Und es ist der Kontrast zwischen der jahrelang erlebten Realität und der Ungezwungenheit, mit der hier hochwertiger Kundenservice angepriesen wird, der mich zur dankbaren Leserin macht (oder ich verkalke langsam und erfreue mich in überproportionalen Ausmassen an den absurden Kleinigkeiten des Lebens).

Nein wirklich, kein Scherz oder nur ein kleiner. Der Newsletter der DB ist ein sehr anrührender virtueller Werbezettel, den ich ausgesprochen gerne konsumiere. Ich durfte heute zum Beispiel lernen, welche Bahnstrecke nach sechs Jahren Bauzeit in Betrieb geht, als sei das ein Grund zum Feiern und nicht zum Schämen. Von solchen Taktiken kann man viel lernen: “Liebster, die Küchenspüle erstrahlt in frisch geputztem Glanz! Nach Wochen der Herausforderung, der Geschirrstapel und des Ungemachs freue ich mich, dir nun das glänzende Metall mal wieder zu zeigen ...”

Die Welt ist auf einmal so weit und trotzdem greifbar, darf ich lernen. Von Bremen nach Brüssel komme ich ab jetzt preiswerter, von Osnabrück nach Paris ebenso. Das ist irgendwie schade, denn ich bin selten in Bremen oder Osnabrück. Macht aber auch nichts, denn von hier aus sind Brüssel und Paris ohnehin nah genug: Mein Geld reicht eher für Diesel als für güldene Bahncarten. Klar, ich könnte stattdessen an Werktagen ab 9 Uhr morgens mit bis zu 5 Personen mit Bus und Bahn quer durch Hessen fahren und müsste dafür nur 25 Euro zahlen. Aber ich kenne gar nicht so viele Leute, die während der Woche frei haben oder einen Bus besitzen, in Hessen schon gar nicht. Lieber würde ich zu zweit im Freibad liegen, egal wo.

Der Newsletter fragt mich auch, ob ich mich schon mal gefragt hätte, wo auf welchem Bahnhof ich ein Schliessfach finde. Nein, nicht wirklich. Ich kann doch lesen und habe einen Mund zum Fragen. Sollte ich wirklich mal in die unerquickliche Lage kommen, so ein versifftes Schließfach nutzen zu müssen, werde ich es schon finden. Ich tendiere allerdings eher dazu, mit Laptop zu reisen und schwere Taschen per Kurierdienst vorauszuschicken.
Aber es ist nicht so, als ob die angebotenen Informationen gar keinen Nährwert hätten. Im Gegenteil, man kann einem Link auf die Homepage folgen und ein Bild von dem saisonalen Wochen- oder Monatsmenü sehen, das man sich kaufen könnte, wenn man denn zufällig mal in einem Zug mit Schnellküche in erreichbarer Nähe des zu diesem Zeitpunkt hoffentlich nicht überfüllten Restaurants landen würde und dieses dann auch noch parallel geöffnet und mit Personal bestückt wäre. Mit etwas Glück ist die Rostbratwurst auf Sauerkraut mit Kartoffelpüree dann weder ausverkauft noch eisgekühlt und kostet bei Verfügbarkeit exakt das Dreifache ihrer Schwestern ohne Räder.

Aber ich bin sowieso nie in so einem Zug, wenn das Restaurant offen UND erreichbar ist, fällt mir gerade ein. Die Schicksalsgötter sind mir gnädig, offensichtlich. Nur gerade eben hat einer gehüstelt, aber dieser Warnhinweis wäre eigentlich nicht nötig gewesen: Das Viertelstündchen Kaffeepause ist vorbei und vom Desktop brüllt aus voller Lunge das Buchmanuskript (“die Arbeit ruft” kann man echt schon nicht mehr dazu sagen). Gute Fahrt.

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