Der vierte Wunsch

„Schätzeken,“ sagte der Fee und bröselte sorgfältig ein Muster aus Rohrohrzucker in den Schaum auf seinem Latte Matcha, „das verstehe ich jetzt einfach nicht. Du lässt sie verfallen?“
Normalerweise zuckte die Frau auch nach all den Jahrzehnten noch zusammen, wenn der Fee unangemeldet neben ihr auftauchte. Diesmal nicht. Sie betrachtete die Wimper, die auf ihrer Fingerspitze lag. Dann den Fee, dann den perfekten Pfefferminztee, der vor ihr stand. Dessen Blätter schoben und streckten sich im dampfenden Wasser, als der lange Löffel voll Kandis sich nach unten kämpfte. Statt die Wimper mit geschlossenen Augen von sich zu pusten, legte sie das einzelne Härchen sorgfältig auf den Untertassenrand und rührte ihren Tee, damit seine minzduftenden Schwaden aufsteigen konnten. „Ich glaube doch sowieso nicht daran, ich bin nicht abergläubisch.“
Fast unauffällig nahm der Fee ihren Keks (und mit diskretem Lidschlag auch die drei Amarettini der Damen vom Ecktisch zehn Meter entfernt) und schnaubte dabei kokett verächtlich. „Doch, das tust Du. Dreimal hast Du das getan, dreimal hat es geklappt. Das ist eine große, wunderbar geschwungene und makellos schwarze Wimper. Du lässt sie verfallen?“
Die Frau nahm einen Löffel voll Tee, weil sie immer noch nicht wusste, wie man aus einem kochend heißen Glas ohne Henkel sonst trinken sollte und nickte. „Dreimal ist vielleicht schon genug. Was ich mir danach gewünscht habe, will ich nicht mehr. Soll ich mir jetzt einfach irgendwas …. Nein.“
Der Fee hatte seine eigene Meinung dazu, musste aber dringend überlegen, ob die Lippenstiftfarbe der Kellnerin ihm auch stehen würde. „Enchanted Passion Forever Forest Style Plum Kiss Pink“ murmelte er vor sich hin. Es klang wie eine Beschwörungsformel. Vielleicht war es das auch.

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(vielleicht schreibe ich 2017 das Buch vom Fee, das ich mal versprochen habe. vielleicht auch nicht.)

http://www.katzenfrau.de/index.php/kurzgeschichten/schreiben/drei/

http://www.katzenfrau.de/index.php/kurzgeschichten/schreiben/service-vor-ort/

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* Der Fee … Ihr fragt nach dem Fee und ob er ein Buch bekommt. Vielleicht. Verlagssuche und diese Dinge, darauf habe ich gerade wenig Lust (auch wenn mein erster Roman damals innerhalb einer Woche zwei Verlage fand und ich also keinen Grund sehe, vorbeugend entmutigt zu sein) So oder so,  der Fee kommt auf alle Fälle jetzt wieder öfter vorbei.

Der Fee ist hetero, außer ihm gefällt ein schöner Mann besonders gut. Er ist exakt so alt, dass er in den Geheimratsecken ein bisschen kahl wird, das macht er aber mit eleganten grauen Schläfen wett. Der Fee liebt heimlich ein bisschen Glitter und unheimlich alles, was der Kosmetikmarkt zu bieten hat – er wäre der perfekte Beauty-Blogger mit Milliarden Followern auf dem Youtube-Kanal, aber sein Arbeitgeber ist diesbezüglich nicht flexibel. Also veranlasst er so oft wie möglich seine Kundinnen zu Comfort Shopping, wozu er bald ein konzernweites internes Whitepaper herausgeben will. Er muss nur noch ausformulieren, warum diese Methode auch für andere gut ist und nicht nur für ihn selbst.
Der Fee wird eigentlich gar nicht nur zu Frauen geschickt, aber ein gelegentlicher Besuch an der organisatorischen Schnittstelle sorgt dafür, dass es dann doch so ist: Die älteren Damen finden den Fee überaus charmant und tun ihm gerne zwei Gefallen. Der Fee selbst hätte manchmal gerne einen anderen Job, weil ihn Romanzen ein bisschen langweilen, an denen er nicht selbst beteiligt ist. Aber mitten im Projekt erwischt es ihn dann meistens doch und er lässt sich mitreißen, biegt die Regeln und gibt unvernünftige Ratschläge, die aber das Herz erwärmen. Der Fee ist verfressen und verschlafen und wird bei der nächsten Reinkarnation wahrscheinlich als Zierwombat wiederkommen. Das kann aber noch dauern, denn obwohl er nach Menschenrechnung ein alter Sack von vierzig plus ist, zählt er unter Feen zu den Junioren.

1 Kommentar Der vierte Wunsch

  1. Avatar Britta in Norwegen 17.12.2016 um 21:50 Uhr

    Vielen lieben Dank für die letzten Einträge - und den Elfen.

    Hmpf, ich weiß nicht wie ich es schreiben soll. Aber zum einen nachträglich alles Gute zum 20.-jährigen Blogbestehen.

    Zum anderen danke für alle Inspiration, die ich hier bekommen habe.

    Lg, Britta

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