Die Spießer sind ja bekanntlich immer die anderen. Nur so kann man milde belächeln, was man als festgefahren empfindet und sich doch selbst ein kleines Universum mit eigenen festgezurrten Ritualen erfinden, die natürlich allesamt hoch originell sind, auch wenn sie sich im Grunde an Trends orientieren, im Verein organisiert oder per Abo ins Haus geschickt werden. Das ist völlig in Ordnung und stört nicht weiter.
Oder höchstens, wenn durchdringende Überzeugungsarbeit geleistet werden soll: Wenn Marketing den falschen Tonfall anschlägt, möchte man nur noch das Browser-Fenster schließen, was im persönlichen Gespräch ja leider so was von gar nicht geht. Dann sitzt man nämlich herum und soll zwangsmotiviert werden. Wenn schon nicht zur Nachahmung, dann doch wenigstens zum Neid. Da schalte ich schon mal ganz schnell um auf Ohrendurchzug und ein im Laufe von Verwandtschaftstreffen antrainiertes freundlich-interessiertes Lächelnicken.
Bei mir ist das nämlich so, dass ich angesichts irgendwelcher Trends immer daran denken muss, wie skurril wir inzwischen die Mode und einige Verhaltensweise aus den 70ern und 80ern finden. Erzählt mir also Hausfrau XYZ, wie sie durch Nordic Walking ihre Ehe gerettet hat, erscheint sofort innen auf meiner rechten Schläfe ein Dokumentarfilm-Moderator aus dem Jahr 2106 oder später, der über diese armen Menschen von vor 100 Jahren berichtet, die mit Stöcken auf die Landschaft einstachen und sich davon Heilung für Zivilisationsbeschwerden versprachen. Man kann wohl kaum von mir erwarten, dass ich mich vor zukünftigen Generationen lächerlich mache, indem ich mich spontan für diese Sportart begeistere.
Außerdem dürfte ich ja gar nicht spontan mitwalken, denn das soll man mal versuchen, einfach so drauflos zu stöckeln - das wäre katastrophal und gegen alle nordischen Naturgesetze für Walker! Erst gibt man nämlich mindestens siebenhundert Euro für die einzig wahren professionellen Stöcke, Schuhe, Sporthosen und ein Training aus. In letzterem erlernt man vermutlich vor allem diesen sozialpädagogisch durchmotivierten Nordic-Walking-Gesichtsausdruck, der sämtliche erstaunten Blicke souverän abtropfen lässt, wenn man auf öffentlichen Wegen hüftwackelnd und ärmchenschwankend mit Stöcken um sich sticht.
Die Erfahrung hat außerdem gezeigt, dass so was wie Nordic Walking eine Infektionskrankheit ist, die auch wieder vergeht und dann stehen die teuren Stöcke in der Flurgarderobe herum wie die guten Vorsätze vom letzten Jahr auch.
Das Stöckefuchteln war jetzt aber nur ein Beispiel. Mein Hirn schaltet generell ganz schnell seitlich weg in den Ausweichmodus, wenn mich jemand zu aufdringlich von irgendwas überzeugen will oder wenn jemand sehr aufgeregt ist, wenn es gar kein Problem gibt, sondern nur Umstände. Ist mir zu anstrengend.
Gerade jetzt wünsche ich mir allerdings, ich hätte genauer zugehört, wenn es um die beliebten Gemüsekisten-Abos ging und wie man mit dem Inhalt souverän die moderne Hausfrau gibt. Nachdem Frischwaren auf dem Wochenmarkt inzwischen Apothekenpreise kosten und es mehr Sinn macht, sich eine Bio-Kiste anliefern zu lassen, als im Schnitt drei Supermärkte abzuklappern für zufrieden stellendes Grünzeug, habe ich allen Bio-Trends und fanatischen Empfehlungen dieser Kisten zum Trotz ein solches wöchentliches Gemüse-Abo bestellt. Zur Probe. Und weil ich gezwungen sein möchte, mal ganz andere Sachen zu kochen, denn man entwickelt ja doch eine Einkaufsroutine für Vitamine und offensichtlich ist das etwas, worin ich mal umrühren muss. Weiß der Geier warum.
Da steht sie nun, die frische Kiste. Das sieht alles sehr gut aus. Die scheinen mich auch schon zu kennen, denn sie haben extra einen Zettel mit reingetan, damit ich anhand dieser Liste alles identifizieren kann, was drin ist.
Jetzt frage ich mich jedoch gleich mehrere Dinge. Zum Beispiel: Was macht man Originelles mit Schwarzwurzeln und kann man Petersilienwurzeln wie Möhren essen oder muss man sie wie Rüben kochen? Will ich gleich zwei Kohlköpfe und einen Sellerie haben? Und: Warum musste ich unbedingt Gemüse abonnieren?
Ich hatte auch mal ein Gemüse-Abo. Ist schon eine Weile her. Das Obst und Gemüse war super. Allerdings fühlte ich mich von dem Lieferaten leicht ähm…belästigt. Der hatte mich mal morgens im Nachthemd gesehen, was wohl daran lag, dass er bereits um 7.30 Uhr mit seiner Kiste vor der Tür stand.
Scheinbar hielt er das aber für eine Art Signal zum balzen und nach einer Weile wurde es so schlimm mit seinen Avancen, dass ich vor lauter Angst schon um 6:30 Uhr in voller Montur in der Küche sass. Weil mir aber mein Schlaf heilig ist, habe ich die Kiste wieder abbestellt.
Schade eigentlich…
Meinen Glückwunsch zur Gemüsekiste!
Vielleicht kann ich dir ein wenig auf die Sprünge helfen:
Schwarzwurzeln - auch der Spargel des kleinen Mannes genannt - läßt sich wie jedes Gemüse sehr gut verarbeiten. Das Putzen ist ein wenig mühsam. Zieh dir Handschuhe dabei an. Besonders gut finde ich sie in Aufläufen mit ein wenig Muskatnuss. (Wenn dir das orginell genug ist)
Petersilienwurzeln kannst du roh (geraspelt)zu Salat verarbeiten und auch gut wie Möhren kochen.
Übrigens ein Gemüse, dass vielfach für die Kinder- und Diätküche verwendet wird.
Zum Sellerie - mach doch mal Sellerieschnitzel. Schmecken einfach klasse und selbst der Kohl ist als Salat nicht zu verachten.
Schau dir mal die Einsteigerbücher bei GU an für Vollwertkost. Soweit ich es noch in Erinnerung habe, gibt es ein Extrabuch für Gemüse. Es sind immer nur kleine Bücher, nicht teuer und sehr gut beschrieben. Die meisten Rezepte habe ich ausprobiert. Sie lassen sich gut nachkochen.
Und nun wünsche ich dir ganz viel Erfolg.
Filzchen
Schwarzwurzel-Auflauf und Sellerie-Schnitzel wollte ich auch grad vorschlagen, paniert schmecken mir die Schnitzel am besten, in Pfannkuchenteig ist auch fein. Petersilienwurzeln machen sich gut im Wok zu Chinesischem Gemüse-Durcheinander. Und aus (Weiss-)Kohl (Kraut in Bayern) mach ich gerne Krautwickel oder Kraut-Auflauf.
So eine Kiste hatte ich mir auch mal überlegt, hab das dann aber doch bleiben lassen. Wenn das Gemüse erst mal da ist, dann muss man es verarbeiten, ganz egal ob das Wetter grad danach schreit dass man nach draussen muss und lieber Pizza bestellen oder schnelle Nudeln essen sollte.
Liebe Melody,
wie wunderbar. Nachdem ich schon 1995 von dir gelesen hab, bin ich heute per Zufall auf deine Page gestoßen. Herzlichen Glückwunsch, dass du dein Talent jetzt auch zum Geldverdienen nutzen kannst, und herzlichen Dank für die umwerfenden, einfach genialen Texte.
Dumm nur, dass ich die im Büro lese. Da fällt es immer so auf, wenn ich mich vor Lachen wegwerf, weil es klar ist, dass das nicht arbeitsbezogen sein kann. 😉
Ganz liebe Grüße und bitte noch mehr wunderbare Einträge
Petra
Alexa: Also das würde mich nicht abhalten 😊 der Typ muss ja nur die Kiste abgeben, was kann er da groß baggern ...
Filzchen: Vielen Dank für die Tipps. Ich habe schon mal fünf Jahre vegetarisch gelebt und wir kochen grundsätzlich Vollwertkost, aber wir haben uns an immer dieselben Gemüse gewöhnt irgendwie. Ehrlich gesagt glaube ich auch, dass wir das Abo auch wieder kündigen werden, wenn man es nicht später in eine Bestellung umwandeln kann, die unseren Salat- und Suppen- und Wok-Gewohnheiten mehr entspricht 😊) Die Qualität der Sachen ist allerdings richtig toll, sehr lecker.
Angel: Paniert, Krautwickel und ähnliches ist sowas von gar nicht meine Welt 😊 da könnte ich mühelos besser verzichten, selbst wenn der Magen knurrt. Einzige Ausnahme für paniert: _gute_ Wiener Schnitzel *g* und die Pfannkuchen von Zirbel, die sind himmlisch. Mit dem Verarbeiten vom Gemüse hast du Recht, aber das stört mich nicht so, so viel ist es dann doch wieder nicht.
Petra: Wenn du mich 1995 gelesen hast, dann muss das wohl im Treffpunkt-Forum gewesen sein ... ich sag dir, wenn ich damals gewusst hätte, wie viele mitlesen, ich hätte mich wesentlich geschlossener gehalten 😊 danke jedenfalls für den sehr netten Comment!
Ach, der sagte so Sachen wie: darf ich mal Ihr Bad benutzen und dann hat er da in meinen Sachen herumgewühlt…*grusel* der war un-heim-lich.
sellerie muss man nicht panieren, den kann man auch sehr schön in kleine stückchen schneiden und in der pfanne oder im wok braten, oder zusammen mit möhren, schmeckt sehr lecker. man muss ihn halt ein wenig schmurgeln lassen, damit er ein wenig weich wird.
Also Schwarzwurzeln sind hervorragend für Suppen geeignet (und nach der chinesischen Lehre sind wir jahreszeitlich gerade im Wasser-Element, wo Suppen ideal sind). Petersilienwurzeln passen auch gut in die Suppe.
Vorschlag: Sellerie (Stangen?) kleinschneiden, Schwarzwurzeln und Petersilienwurzeln schälen, Zwiebel und ggf Einlage (z.B. Seitan aus dem Bioladen) in Öl anbraten. Erstes Gemüse zugeben und wenn es die ersten “Bratspuren” aufweist mit Wasser ablöschen. Gemüse zugeben und immer so viel Wasser auffüllen, dass das Gemüse bedeckt ist. Mit Brühe, Kräutern etc. abschmecken; wenn Du Miso (japanische Suppengrundlage) im Hause hast Brühe weglassen und beim Einfüllen der Suppe in den Teller oder die Schale einen TL Miso vorsichtig in der Flüssigkeit auflösen. Es ist reichhaltiger an Enzymen etc. wenn es nicht gekocht wird.
Die Suppe muss nicht am selben Tag aufgegessen werden. Die Kombination von lang und kurz gekochtem Gemüse bringt’s; also morgen wieder etwas Gemüse klein schneiden, zugeben, aufkochen und 15 Minuten warten.
So hab ich schonmal “eine Suppe” gehabt, die 3 Wochen alt wurde. am Ende war ganz anderes Gemüse drin als am Anfang 😉
Schwarzwurzeln können auch geschält und fast wie Möhren als Beilage benutzt werden.
Hauchfein geraspelte Petersilienwurzel mit gerösteten Walnussbröckchen und einem Klecks Sauerrahmdressing auf Feldsalat. Yippie.
Hm, Gemüse, da sind so viele Vitamine drin, die man ganz schnell totschlagen muss. Gibts nicht vielleicht ein Currywurst -Abo? *ggg*
Grüßchen von Petra, heute leicht albern 😉